Interview zur siebten Folge
mit Udo Beckmann
Reformen in der Bildung und im VBE
Ihre Wahl zum Bundesvorsitzenden war nicht nur eine personelle, sondern auch eine strukturelle Zäsur. Warum musste der Bundesverband neu aufgestellt werden und wie sah er danach aus?
Es gab damals die Föderalismusreform II. Das bedeutete, dass immer mehr Rechte auf die Länder übergegangen sind. Vor allen Dingen ein grundlegendes Recht, das bis dahin auf der Bundesebene organisiert war: die Frage der Besoldung. Damit verknüpft entstand bei den Landesverbänden die Frage: Welche Aufgabe hat der Bundesvorstand in Zukunft für uns? Müssen nicht die Länder mehr gestärkt werden, damit sie ihre Rolle besser wahrnehmen können? Aus dieser Diskussion heraus ist dann im Bundesvorstand die Notwendigkeit entstanden, dass man den VBE neu aufstellen musste. Es ist damals eine Arbeitsgruppe gegründet worden, die der Kollege Busch und ich geleitet haben. Darin waren zum Beispiel auch die Kollegin Gitta Franke-Zöllmer, die Kollegin Schwar aus dem Sächsischen Lehrerverband und andere aus verschiedenen Regionen. Wir haben dann überlegt, was man tun kann, wenn man in Zukunft mit deutlich weniger Geldmitteln auskommen muss, um den VBE Bund trotzdem stark zu halten.
Und daraus entstanden ist eine neue Struktur, die bedeutete, dass wir die großen Gremien, die wir hatten – Bundeshauptvorstand, Delegiertenversammlung alle vier Jahre, Bundesvorstand – deutlich einkürzen oder auf manche ganz verzichten mussten. Zum Beispiel fiel dann die Entscheidung, auf den Bundeshauptvorstand zu verzichten. Vor allen Dingen, und das war die Grundsatzidee, die sich dann entwickelt hat: Wir müssen die Landesvorsitzenden mehr in die Pflicht nehmen, wenn wir keinen großen Bundesvorstand mehr haben. Wenn wir den Bundesvorstand als Koordinierung zwischen den 16 Ländern verstehen, dann muss sich jeder Einzelne mehr in die Pflicht nehmen.
Diese Struktur haben wir im Bundesvorstand diskutiert. Es gab keine einhellige Freude, insbesondere auch nicht, weil Gremien abgeschafft werden mussten. Es gab auch einige, die gesagt haben: Es wird nie gelingen, das in dieser Form zu machen. Der Bundesverband wird in der Versenkung verschwinden und man wird ihn nicht mehr wahrnehmen. Der Kollege Busch und ich konnten aber deutlich machen, dass wir uns vorstellen können, die Herausforderung, den Bundesverband mit weniger Mitteln, aber eben durch das Gewinnen von Kooperationspartnern auch in der Öffentlichkeit deutlich nach vorne zu bringen, bewältigen zu können.
Das hat man uns abgenommen. Mit der Erwartung: Wir gucken uns mal eine Zeit lang an, ob das gelingt. Und ich glaube, wir haben relativ schnell bewiesen, dass die Konzeption, so wie wir es uns gedacht haben, aufgeht. Vor allen Dingen auch dadurch, dass Landesvorsitzende, wie zum Beispiel Gitta Franke-Zöllmer damals gesagt hat: Sie übernimmt den Bereich Internationales und hat den VBE da vertreten. Ich habe immer gesagt, sie ist meine Außenministerin. Dann gab es andere, die haben den Bereich Berufspolitik übernommen. Der Kollege Weichelt hat sich dann später bereit erklärt, zum Beispiel den Bereich Tarif zu übernehmen. Den Bereich Schul- und Bildungspolitik hat der damalige BLLV-Präsident Klaus Wenzel übernommen. Und so haben wir deutlich machen können: Wenn jeder sich einbringt, dann gelingt es uns mit dieser neuen Struktur, dem VBE Bund ein deutliches Gesicht zu geben. In der Öffentlichkeit und in der Politik.
Gab es eine inhaltliche Vision, mit der Sie angetreten sind?
Also ich glaube, dass wir das, was bisher vorbereitet war, fortgeführt haben. Natürlich unter anderen Voraussetzungen. Zum Beispiel war es ja nicht nur so, dass wir eine andere Struktur in den Gremien hatten, sondern wir hatten ja auch eine Geschäftsstelle, die mit deutlich weniger Personal bestückt war. Zum Glück konnten wir allen, die wir damals nicht halten konnten, mit Hilfe des dbb ein Angebot machen, dass sie weiterhin in Beschäftigung waren. Das war dem Kollegen Busch und mir damals ganz wichtig, und das ist auch für alle gelungen, die das wollten.
Unsere Vision war es, deutlich zu machen, dass der VBE in der Öffentlichkeit ein starkes Bild abgibt. Dass er zeigt, dass er die zweitgrößte Bildungsgewerkschaft in Deutschland ist. Ich glaube, es ist in erster Linie dem zu verdanken, dass wir, Kollege Busch und ich, uns sehr gut als Team verstanden haben. Und uns ständig abgestimmt haben, welche Schritte wir weitergehen wollten.
Und wir hatten Schatzmeister im Rücken, die uns mit dem kleinen Haushalt, den wir noch zur Verfügung hatten – 50 Prozent dessen, was wir vorher hatten – dabei unterstützt haben, bestimmte Dinge so gut wie möglich voranzutreiben. Der Kern unserer Geschichte war ja, dass wir uns zum Beispiel überlegt haben: Wie kommen wir an Daten und Fakten, um öffentlich wirksam zu werden? Dabei ist die Idee entstanden, dass wir Umfragen mit dem forsa-Institut machen. Das gelang aber auch nur wieder, weil Landesverbände gesagt haben, sie unterstützen uns dabei, wenn es Landeserhebungen gibt. Sonst wäre selbst das nicht finanzierbar gewesen.
Wir haben Kooperationspartner gefunden im Bereich Deutscher Lehrertag mit dem Verband Bildungsmedien. Und wir haben, das war glaube ich unsere größte Geschichte, damals mit Wolters Kluwer den deutschen Schulleitungskongress aus der Taufe gehoben und auch hier durch die Kooperation vieles wettmachen können, was wir an finanziellen Mitteln nicht mehr zur Verfügung hatten.
Lassen Sie uns noch einmal zu den Umfragen kommen. Sie gehören heute fest zur gewerkschaftlichen Arbeit des VBE. Wie aber hat es mit dieser Praxis angefangen?
Wir haben diskutiert, damals noch mit Mira Futasz, die Pressereferentin war: Wie können wir es schaffen, dass wir in der Öffentlichkeit noch mehr wahrgenommen werden? Journalisten brauchen harte Fakten, wenn sie berichten. Und von daher sind wir auf die Idee gekommen, so etwas zu installieren wie eine Umfrage unter Lehrkräften oder unter Schulleitungen. Wir haben uns damals dafür entschieden, es unter Schulleitungen zu tun.
Dann haben wir verschiedene Institute angefragt. Die meisten sahen sich nicht in der Lage, so etwas durchzuführen, oder hatten dafür kein Potenzial. Aber forsa hat sich damals bereit erklärt und hat gesagt: Wir kriegen das hin. Sie fanden die Idee auch spannend. Und von daher ist dann die Zusammenarbeit mit forsa zustande gekommen. Und man kann ja bis heute sagen, dass die Forsa-Umfragen in jedem Jahr einen durchschlagenden Erfolg haben. Wir werden ja nicht nur in den Medien wahrgenommen, sondern das, was bei den Umfragen herauskommt, ist auch Diskussionspunkt in vielen Landesparlamenten.
Welche bildungspolitischen Herausforderungen musste der VBE bewältigen, als Sie den Bundesvorsitz innehatten?
Das, was sich die ganze Zeit durchzieht, ist das Thema Lehrkräftemangel. Das ist etwas, was uns die ganze Zeit begleitet hat, was ja auch immer deutlich wird durch die repräsentativen Umfragen, die wir gemacht haben, dass dies eigentlich das Thema ist, was Lehrkräfte und vor allen Dingen auch Schulleitungen in den Schulen besonders bewegt.
Der zweite Punkt war das große Thema Digitalisierung. Hier ist es uns gelungen, innerhalb des Bundesverbands, wie zu anderen Themen auch, gemeinsame Papiere und gemeinsame Erklärungen hinzubekommen. Denn das muss einem auch klar sein: Die 16 Landesverbände ticken ja nicht homogen in dem, was ihre bildungspolitischen Vorstellungen sind. Da gibt es schon Abweichungen, und die große Kunst bestand immer darin, dass wir es trotzdem geschafft haben, zu gemeinsamen Punkten und zu gemeinsamen Erklärungen zu kommen.
Das hat oft intensive und gute Diskussionen im Bundesvorstand gegeben, aber wir haben dann etwas gefunden, an dem sich alle Landesverbände orientieren und das sie dann auch nach draußen tragen. Von daher ist uns etwas gelungen, was unsere Grundidee war: dass der Bundesverband sich als Koordinierungsstelle für die 16 Landesverbände verstanden hat. Ich habe oft die Bemerkung gemacht, dass es für mich als Bundesvorsitzenden nicht einfacher ist, als bei den KMK-Präsidenten, die auch 16 Länder unter einen Hut, bekommen müssen. Aber was uns gelungen ist: Wenn wir einen Beschluss gefasst haben, dann galt der. Bei der KMK ist es so: Es wird ein Beschluss gefasst und es gibt 16 Ausnahmen.
Können Sie sich an eine Begegnung mit einem Politiker oder einer Politikerin erinnern, die Sie besonders beeindruckt hat?
Ich will jetzt keinen Politiker oder keine Politikerin besonders hervorheben. Es gab in allen Begegnungen immer Aufs und Abs. Es ist ja auch unsere Rolle als Gewerkschaft, dass wir nicht synchron sind mit dem, was Politik sich vorstellt. Aber wenn man so die Bundesebene betrachtet, glaube ich, war eine feste Größe für uns der Generalsekretär bei der Kultusministerkonferenz, Udo Michallik, der ja auch eigentlich derjenige ist, der die größte Beständigkeit in diesem Gremium hat.
Bei ihm hatten wir immer einen Gesprächspartner, der auch offen war für Kritik, der aber auch immer eine klare Linie gegeben hat und mit dem man Absprachen treffen konnte, die dann auch eingehalten wurden. Das war also eine hohe Verlässlichkeit. Das ist ja auch zum Teil dadurch entstanden, dass wir auch auf internationaler Ebene oft Begegnungen hatten. Ihn habe ich in der ganzen Zeit sehr schätzen gelernt.
Wenn Sie heute auf Ihren Vorsitz zurückblicken, worauf sind Sie besonders stolz und wo blieb die Erwartung hinter der Realität zurück?
Also stolz bin ich darauf, dass es damals gelungen ist, den VBE Bundesverband und die 16 Landesverbände zusammenzuhalten. Ich muss auch immer wieder deutlich machen, dass das nur möglich war, weil ich den Kollegen Rolf Busch an der Seite hatte. Weil wir uns sehr gut abgestimmt hatten und das Gleiche wollten. Wir wollten zeigen: Wenn wir uns als Landesverbände einbringen und das die anderen auch tun, dann können wir diesem Bundesverband ein starkes Gesicht geben. Darauf bin ich stolz.
Und stolz bin ich auch darauf, dass es uns gelungen ist, den VBE in meiner Amtszeit sowohl in der Politik als auch in der öffentlichen Wahrnehmung sehr weit nach vorne zu bringen. Dies hat natürlich auch damit zu tun, dass wir ein tolles Team hier in der Geschäftsstelle im Rücken hatten – gerade auch im Bereich der Pressearbeit – und dass ich eine Sekretärin hatte, die mir stets den Rücken freigehalten hat. Dass das so funktioniert und dass ich jeden Tag gerne ins Büro gefahren bin, das macht mich stolz.
Wenn Sie wählen müssten, was verbinden Sie am stärksten mit dem VBE? Verlässlich, beständig oder wandelbar?
Alle drei. In gleicher Weise. Wir sind verlässlich, wir waren beständig und wir haben uns auf Herausforderungen eingelassen und haben dementsprechend Veränderungen vorgenommen.
Was braucht der VBE für die kommenden Jahre? Was wollen Sie uns hiermit geben?
Wenn der VBE weiter nach vorne kommen will, dann muss er verlässlich bleiben, beständig und wandelbar sein, um auf alle Herausforderungen reagieren zu können.