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VBE-Umfrage zeigt: Mangel demotiviert Schulleitungen

forsa-Schulleitungsumfrage zu „Berufszufriedenheit, Seiteneinstieg, Digitalpakt“

„Was wir sehen, ist äußerst alarmierend. Die Antworten zeigen in beeindruckender Weise, wie die wachsende Belastung der Schulleitung sie sukzessive demotiviert. Sie können ihren Aufgaben immer weniger gerecht werden, verlieren an Motivation und fühlen sich gleichzeitig nicht mehr so stark unterstützt. Dadurch sinkt die Bereitschaft deutlich, den Beruf weiterzuempfehlen – nämlich um 13 Prozent­punkte seit 2018. Das kann sich die Politik aber nicht leisten, fehlen doch heute schon rund 1.000 Schulleitungen in Deutschland. Und auch den Lehrkräftemangel bekommen wir immer stärker zu spüren: An fast 60 Prozent der Schulen fehlen Lehrkräfte, an der Hälfte aller Schulen werden deshalb Seiteneinsteigende eingestellt. Und diese werden nicht angemessen vorbereitet! So geben sogar 36 Prozent der Schul­leitungen an, dass die Seiteneinsteigenden an ihrer Schule weder Vorqualifizierung noch berufsbegleitende Weiterqualifizierung erhalten haben. All das zeigt das Bild eines desolaten Berufsfeldes. Was es braucht, ist eine proaktive Informations­politik der Politik und endlich Möglichkeiten, das stetig wachsende Aufgaben­spektrum und die steigenden Verwaltungsarbeiten besser zwischen Schul­leitungen und deren Stellvertretung bzw. in einem Schul­leitungsteam aufzuteilen“, fordert Udo Beckmann, Bundesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE).

Er bezieht sich damit auf die aktuelle, repräsentative forsa-Schulleitungsbefragung im Auftrag des VBE. Dafür wurden 1.302 Schulleitungen im Januar und Februar nach ihrer Berufs­zufrieden­heit und Unterstützungssystemen, nach den größten Belastungsfaktoren und den möglichen Verbesserungsbedarfen befragt. Ebenfalls wie in den Vorjahren 2018 und 2019 wurde nach der eigenen Betroffenheit durch den Lehrer­mangel gefragt und danach, ob Seiteneinsteigende beschäftigt werden. Neu in diesem Jahr sind Fragen zum Stand der Beantragung von Mitteln im Rahmen des Digitalpakts. Stichproben gibt es für Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Die Veröffentlichung der Zahlen für das Bundesgebiet sollte eigentlich auf dem Deutschen Schulleiterkongress stattfinden. Dieser wurde aber wegen der aktuellen Lage in den Herbst verschoben.

Auffällig ist, dass sowohl Belastungsfaktoren als auch Verbesserungsbedarfe in der Bewertung der Schulleitungen relativ stabil bleiben: Die drei größten Herausforderungen sind mit Zustimmungswerten über 80 Prozent das stetig wachsende Aufgabenspektrum, die steigenden Verwaltungsarbeiten und dass die Politik bei ihren Entscheidungen den tatsächlichen Schulalltag nicht beachtet. 76 Prozent der Schulleitungen sehen die Überlastung des Kollegiums als Belastungsfaktor an und genauso viele verwehren sich gegen die Anspruchshaltung, dass die Schule alle gesellschaftlichen Probleme lösen soll. Hinzu kommt der Mangel an Ressourcen, Vorbereitung und Fort­bildung. 

Um mit der Aufgabenfülle besser umgehen zu können, votieren über 80 Prozent der Schulleitungen für mehr Anrechnungsstunden zur Erfüllung besonderer Aufgaben, für eine bessere personelle Ausstattung mit pädagogischen Fachkräften und für eine Erhöhung der Leitungszeiten bei allen Schulen. Außerdem finden knapp drei Viertel der Schul­leitungen eine gesicherte Stellvertretungsregelung und die erweiterte Schulleitung für wichtig. Dazu bemerkt der Bundesvorsitzende des VBE: „Wie in jedem anderen Bereich gilt auch für Schulleitung, dass Verantwortung besser getragen werden kann, wenn sie sich auf mehreren Schultern verteilt und projektbezogen weitere Expertise hinzugenommen werden kann. Dafür braucht es dann Möglichkeiten, dies aber auch finanziell wertzuschätzen.“

Weiterer Schwerpunkt der Umfrage war der Lehrkräftemangel. Sagten 2018 rückblickend „nur“ 36 Prozent der Schulleitungen, dass sie wegen des Lehrermangels mit unbesetzten Stellen zu kämpfen hatten, war es 2019 die Hälfte der Schulleitungen. Nun sagen dies 59 Prozent der Befragten. In gleichem Maße nimmt auch die Zahl der Schulleitungen zu, die Seiteneinsteigende einstellt. Waren dies 2018 37 Prozent, sind es nun 53 Prozent – die aber nur unzureichend auf ihre Aufgaben vorbereitet werden. „Dass das mit dem Anspruch auf qualitativ hochwertige Bildung unvereinbar ist, liegt auf der Hand. Gerade, weil wir wissen, dass Seiteneinsteigende besonders häufig in Schulen in schwierigen sozialen Lagen eingesetzt werden – und durch die fehlende pädagogische Ausbildung die Ungerechtigkeit im Bildungssystem sogar noch verstärken“, kommentiert Udo Beckmann.

Ein dritter Schwerpunkt war die digitale Ausstattung der Schulen und der Digitalpakt. Die Zahl der verfügbaren Klassen- und Fachräume mit Breitbandinternet und WLAN hat sich seit letztem Jahr nicht verändert (36 Prozent). Auch die Zahl der verfügbaren Klassensätze digitaler Endgeräte hat sich nicht deutlich erhöht (plus 3 Prozent auf 37 Prozent). Der VBE Bundesvorsitzende lobt: „Positiv ist, dass fast die Hälfte der Schulleitungen angibt, dass mindestens die Hälfte bis alle Lehrkräfte bereits an Fortbildungen zum Thema „Digitalisierung“ teilgenommen haben. Zudem gibt fast ein Drittel der Schulleitungen an, dass sich Lehrkräfte ihrer Schule in informellen Netzwerken zusammenschließen. Das zeigt die hohe Bereitschaft, sich selbst im Privaten noch aus­zutauschen, darf aber gleichzeitig nicht zum Maß der Dinge werden. Wichtiger ist, dass qualitativ hochwertige und quantitativ ausreichende Fortbildungen innerhalb der Dienstzeit wahrgenommen werden können.“ Mit Blick auf den Zusammenhang zwischen Informiertheit über den Digitalpakt und die Wahrscheinlichkeit, Gelder zu beantragen, sagt Beckmann: „Hier zeigt sich, dass es eine enge Korrelation gibt. Der Politik muss stets bewusst sein, dass es nicht Aufgabe der Schulleitung sein kann, sich über alles selbst zu informieren. Ob Digitalpakt oder Masernimpfpflicht: Politik ist in der Pflicht, gut verständliche Materialien schnell bereitzustellen, damit die Schulleitungen diese Herausforderungen gut meistern können.“

Weitere Forderungen des VBE zur Verbesserung der Situation von Schulleitungen sind:

  • Entlastung der Schulleitungen von Aufgaben, auch durch Verwaltungsfachkräfte (ohne sie jedoch auf Lehrerstellen anzurechnen),
  • Unterstützung durch Schulleitungsteams und finanziellen Anreizen für alle jene, die hier Verantwortung übernehmen,
  • Ermöglichen, multiprofessionelle Teams zu etablieren, was sowohl Lehrkräfte als auch Schulleitung entlastet,
  • Orientierung am Schulalltag bei politischen Entscheidungen und
  • adäquate Unterstützung von Schulleitungen mit aktuellen Informationen zu allen Entscheidungen, die umzusetzen sind.