Bildungsgerechtigkeit

FEIN – Förderung nach Maß (flexibel, effizient, individuell, nachhaltig)

veröffentlicht am 6. Mai 2021


Die Schulen in Deutschland stehen ein Jahr nach dem Beginn der Corona-Pandemie vor einer riesigen Herausforderung. Nachdem nun lange Zeit kein geregelter Unterricht mehr stattfinden konnte, mehren sich die Stimmen, die lauter werdend fragen, wie viel Lernstoff versäumt wurde. Manche Unkenrufe gehen sogar so weit festzustellen, dass das letzte Jahr ein „verlorenes Schuljahr“ war.

Dem stehen wir entschieden entgegen. Mit hohem Engagement auf der stetigen Suche nach konstruktiven Lösungen und kreativen Wegen haben Lehrkräfte überall in Deutschland versucht, aus denkbar schlechten Ausgangsbedingungen das Beste herauszuholen – nicht immer zur Zufriedenheit der Eltern, nicht immer mit den erwünschten Ergebnissen und oft an der fehlenden Technik oder dem Zusammenbrechen der Lernplattformen scheiternd. Und trotzdem haben sie seit über einem Jahr nicht darin nachgelassen, für ihre Schützlinge da zu sein.

Es gab durchgängig Angebote der Schulen, damit die Kinder im Homelearning Bekanntes wiederholen und vertiefen sowie auch Neues entdecken konnten. Die Kompetenzen jedoch, die vor allem geschult wurden, standen vor der Pandemie so nicht im Lehrplan: das Strukturieren des Tages, das selbstständige Arbeiten ohne pädagogische Aufsicht, das Besuchen von und Mitwirken in Videokonferenzen, das Erlernen von Strategien zur Bewältigung von stark stressigen Situationen, wie einer Pandemie und nicht zuletzt die Einhaltung von Hygieneregeln.

Trotzdem bleibt festzustellen, dass der Umfang an vermitteltem Wissen und das damit einhergehende Erlernen curricular erwarteter Kompetenzen sich sehr heterogen entwickelt hat. Vor allem in Abhängigkeit vom Bildungsstand und Unterstützungsmöglichkeiten des Elternhauses gelang es Schülerinnen und Schüler besser oder schlechter Aufgaben zu erfüllen und zu lernen. Damit verstärkte die Corona-Pandemie die bisher schon bestehenden Bildungsungleichheiten.

Es steht fest: Es war kein normales Schuljahr und auch das nächste Schuljahr kann deshalb kein normales werden. Viele Schülerinnen und Schüler stehen vor großen Herausforderungen – und mit ihnen die Lehrkräfte, denn die Heterogenität der Anforderungen in den Klassen hat nochmals zugenommen. Den Schwachen und Starken konnten die Lehrkräfte schon früher kaum gerecht werden, weil die Rahmenbedingungen es nicht zuließen und zulassen. So stark auseinander dieindividuellen Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler sind, so wenig vorhanden ist die Unterstützung von außen und so hoch sind die Anforderungen, alle im Blick zu behalten.

Die nun notwendige Lösung muss sein, schnell und unkompliziert Gelder zu erhalten, um FEIN fördern zu können: flexibel entsprechend den Gegebenheiten vor Ort und Bedarfen an der Schule, effizient im Sinne eines gesicherten und evaluierten Ergebnisses, individuell wie die Kinder, welche die Förderung erhalten sollen und nachhaltig – denn die Auswirkungen der Pandemiezeit werden sich langfristig zeigen. So war die Verkleinerung von Lerngruppen nicht nur zum Einhalten der Mindestabstände eine veritable Lösung. Die Rückmeldungen zeigten: Die Schülerinnen und Schüler fühlten sich mehr gesehen, besser unterrichtet und waren zugänglicher und konzentrierter im Lernen. Das hilft auch den Lehrkräften.

Was braucht es dafür?

Bund, Länder und Kommunen müssen nicht nur Gelder bereitstellen, sondern zusätzlich dafür sorgen, dass eine möglichst einfache Förderkulisse hergestellt wird. Die Schulleitungen brauchen nicht noch mehr Aufgaben, sondern unkomplizierte Wege, Fördergelder abzurufen und schnelle Unterstützung bei Fragen. Zudem muss vorab geklärt sein, wie die Personalsituation in den Kommunen aussieht. Fördergelder, die aufgrund des Personalmangels dort nicht vergeben werden können, sehen wir beim Digitalpakt schon genug.

Zeit ist die wichtigste Ressource in der Schule. Und sie ist eine der knappsten. Während nun mit Blick auf den curricular vorgesehenen, aber nicht geschafften Lernstoff gerichtet wird, bleibt verkannt, dass die Schülerinnen und Schüler nicht nur dabei unterstützt werden müssen, Lernlücken zu schließen, sondern auch das ganze Schulleben immer wieder neu lernen und erleben müssen. Die sich wöchentlich ändernden Vorgaben müssen verarbeitet werden. Dazu braucht es Zeit. Aber auch für die Kooperation unter den Lehrkräften und in multiprofessionellen Teams, in Netzwerken innerhalb und außerhalb der Schule sowie mit den Eltern.

Schule muss noch besser in ein Netzwerk verschiedener Institutionen eingebettet werden. Diese Strukturen müssen von Politik und Verwaltung geschaffen und gefördert werden. Dieses Unterstützungsnetzwerk soll langfristig und nachhaltig dazu beitragen, Prozesse zu beschleunigen, Investitionen effizient zu gestalten und die Schülerinnen und Schüler bestmöglich zu fördern.

Womit beginnen?

Die Förderung FEIN (flexibel, effizient, individuell und nachhaltig) zu gestalten gelingt nur mit dem Blick auf die einzelne Schule und die individuellen Bedarfe der Schülerinnen und Schüler. Dafür sind die Fördergelder effizient einzusetzen, und zwar nicht mit der Gießkanne, sondern zielgenau und evaluiert. Wir fordern:

  • Ressourcen finanzieller und personeller Art zur bedarfsorientierten individuellen Förderung, passgenau für die Schule vor Ort und mehr Zeit für passgenaue individuelle Förderung durch zusätzliches Personal.
  • Umfangreiche individuelle Förderangebote, durchgeführt von bezahlten und pädagogisch sowie fachlich qualifiziertenDrittkräften, die in multiprofessionellen Teams eingebunden sind. Schulen müssen hierfür die notwendigen finanziellen und zeitliche Ressourcen bedarfsgerecht zur Verfügung gestellt bekommen.
  • Eine breite Palette an Förderangeboten sowohl im Bereich der sozial-emotionalen Kompetenzen als auch im Bereich der kognitiv-fachlichen Kompetenzen.
  • Qualitätsvolle Ganztagsangebote insbesondere für benachteiligte Kinder und Jugendliche. Wünschenswert wäre hierbei zur Umsetzung die Berücksichtigung sozioökonomischer Faktoren, beispielsweise in Form eines Sozialindexes.
  • Den Aufbau kollaborativer Netzwerkstrukturen in und über die Einzelschulen hinaus. Hierdurch wird in einer Kultur des Teilens miteinander Bildung gestaltet.
  • Freiwillige Wiederholung (Förderjahr) nach intensiver Beratung der Eltern durch die Lehrkräfte ohne Anrechnung.

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