Digitalisierung

Digitalisierung und Schule

veröffentlicht am 17. November 2016


Der Prozess des Lernens wird sich im Zuge der Digitalisierung weiter verändern. Der Primat des Pädagogischen muss in Schule weiterhin gelten, dabei aber die Chancen eines individuellen, mediengestützten Unterrichts nutzen. Gerade in Bezug auf die großen Herausforderungen Inklusion, Heterogenität und Individualisierung. Digitalisierung an Schulen kann nur gelingen, wenn sich Schule als lernendes System versteht und wenn Lehrkräfte die notwendige Unterstützung in personeller, sächlicher und räumlicher Art erhalten. Der VBE definiert hier sieben zentrale Handlungsfelder.  

Unsere Gesellschaften befinden sich weltweit in einem kontinuierlichen Umbruch. Im Wesentlichen haben diese Veränderungen mit der Digitalisierung unseres gesamten Lebens zu tun. Der Einsatz modernster digitaler Medien im Privatleben und Beruf ist selbstverständlich geworden. Die Digitalisierung macht es möglich, dass nahezu alle Wissensinhalte immer sofort abrufbar sind, dass mit Hilfe von Lernprogrammen individuelles Lernen in einer nie da gewesenen Form ermöglicht wird und dass die Entwicklung des Kindes und der Jugendlichen stark durch virtuelle Welten geprägt werden. Diese Veränderungen stellen in ihrer Radikalität für alle Institutionen eine große Herausforderung dar.

Für die Schule bedeutet dies, dass sich der Prozess des Lernens verändert. Ein unterrichtliches Kerngeschäft, die Vermittlung von Fachwissen, tritt aufgrund der vielfältig verfügbaren Informationen in den Hintergrund, das Begreifen von Zusammenhängen und das Erlernen von Kompetenzen dafür noch mehr in den Vordergrund. Digitale Medien können dabei helfen, das Lernen und den Unterricht in Zukunft positiv zu unterstützen. Sie sind kein Allheilmittel, aber das effiziente Nutzen der digitalen Medien und digitalen Endgeräte sowie die Grenzen und Gefahren des Medienkonsums müssen selbstverständliche Inhalte des schulischen Lebens werden. Die Wirklichkeit in vielen Schulen ist von der offiziellen Darstellung mancher Kultusministerien (z. B. Broschüre „Digitale Bildung“ in Bayern) weit entfernt. Das belegen auch aktuelle Studien, denen zufolge sich die Kolleginnen und Kollegen durchweg für den Einsatz digitaler Medien im Unterricht aussprechen und diesen auch praktizieren - bei gleichzeitig sehr großer Unzufriedenheit mit Ausstattung und Betreuung. Sie vermissen professionelle Begleitung und die Bereitstellung entsprechender Lernsoftware, die sie ohne zusätzliche Zeitressourcen für einen individuellen, zielführenden und medienbasierten Unterricht einsetzen könnten. Hier benötigen die Schulen entsprechende Rahmenbedingungen, ohne die das qualitätsvolle Arbeiten, Lehren und Lernen mit digitalen Medien nicht möglich ist.

Ziel eines modernen, auf digitalen Medien basierenden Unterrichts muss es sein, einen freien, emanzipierten, eigenverantwortlichen und kreativen Menschen in seiner Entwicklung zu begleiten. So verlockend ein computergestützter Unterricht vielen erscheint, so sehr er auf der Agenda stehen mag, eines sollten wir nie vergessen: Entscheidend ist und bleibt die Persönlichkeit der Lehrerinnen und Lehrer und ihre Beziehung zu den Schülerinnen und Schülern. Dazu können digitale Medien ein geeignetes Lernwerkzeug sein.

Es geht letztlich aber auch darum, dass sich die Institution Schule verändert und damit die Rolle der Lehrerinnen und des Lehrers. Wie Lehrer diese Veränderungen nicht nur als Objekte erleben, sondern selbst die Veränderungen bewusst gestalten und dabei ihre Erfahrungen als Pädagogen einbringen - das wird eine der großen Herausforderungen der Schule in den nächsten Jahren.

Der VBE fordert zur Unterstützung dieser Herausforderungen:
Im Zentrum müssen stehen: Profession, Bildungsbegriff, Schulkonzept (Schulen vor Ort definieren was sie brauchen). Jede Schule sollte über ein Medienkonzept für den Einsatz von Computern im Unterricht verfügen. Dabei sind sie zu unterstützen.

1. Ausstattung: Hard-/Software, Finanzierung

Die technische und moderne Ausstattung der Schulen muss gewährleistet sein (Internetverbindung, Qualität und Aktualität der Endgeräte, Aktualität und Qualität der Software, Anzahl der Endgeräte in Relation zur Schülerzahl, Anzahl der Softwarelizenzen in Relation zur Schülerzahl). Diese müssen professionell installiert und gewartet werden. D.h. es muss genügend technische Unterstützung für die Schule bei der Wartung der IT-Ausstattung vorhanden sein. Wichtig ist hierbei vor dem Hintergrund eines mobilen Lernens, dass nicht nur fest installierte PC-Räume zur Verfügung stehen, sondern digitale Endgeräte flexibel in den Schulhäusern einsetzbar sind. Die Schulen benötigen Unterstützung bei der Entwicklung schulischer IT- und Lerninfrastruktur, die sowohl als Lernplattform genutzt als auch als Publikations-, Verwaltungs- und Kommunikationsmedium von allen an Schule Beteiligten eingesetzt werden kann, sowie Hilfe bei der Entwicklung von Ausstattungskonzepten für Schulen. Die Sachaufwandsträger sollen vom Kultusministerium in Fragen der IT Ausstattung unterstützt werden. Die Finanzierung muss bedarfsgerecht angelegt sein, finanzschwache Sachaufwandsträger dürfen nicht benachteiligt werden.

2. Bildungsmedien: Lernprogramme, Unterrichtsmaterial, Qualitätssicherung, OER

Es sind Standards zur Sicherung der Qualität von digitalen Medien, Lernprogrammen, Unterrichtsmaterialien und deren Einsatz zu entwickeln und umzusetzen. Schulen dürfen hierbei nicht alleine gelassen werden. Digitale Lernmaterialien, die qualitativ hochwertig und leicht auffindbar sind, müssen ausreichend und finanzierbar zur Verfügung stehen. Vorgaben zu medienbasierten Lehr- und Lernangeboten sollen in fachspezifischen Lehrplänen verankert werden. Digitale Schulbücher und Unterrichtsmaterialien sollten leicht zugänglich sein. Digitale Schulbücher sind in den Lernplattformen zu integrieren. Kompetenzorientierung, Übungseffizienz, adaptive Lernumgebung, multimediale Elemente, niedriger administrativer Aufwand >> Anbieter sollen analog zur Schulbuchprüfung Produkte einreichen können (aber: kurze Bearbeitungszeit!).

3. Rechtssicherheit: Urheberrecht, Datenschutz, Persönlichkeitsschutz

Die Rechtssicherheit für Lehrkräfte beim Einsatz digitaler Medien muss verbessert und die Garantie für die Sicherheit der schulischen Daten unabdingbar gegeben sein. Hierbei ist von Seiten der Schulverwaltung für eine höchstmögliche Transparenz zu sorgen. Den Lehrkräften sind Fort- und Weiterbildungsangebote bereitzustellen, in denen sie hinsichtlich aktueller Datenschutzrichtlinien und Urheberrechtsregelungen geschult werden.

4. Betreuung: Systembetreuer, neue Berufsbilder

Es bedarf von Seiten der Schulverwaltung eines Systembetreuers/in, die/der sich um die Technik kümmert und bei Problemen technische Unterstützung vor Ort bietet. Diese Systembetreuer sollen regelmäßig durch Weiterbildungen auf den neuesten Stand gebracht werden. An den Schulen sollte zudem genügend pädagogische Unterstützung zur Integration von Computern im Unterricht vorhanden sein.

5. Lernen: Methodik, Didaktik, VIL, Lernbegriff

Die Realisierung von Digitalisierung in der Schule bedeutet auch die Umsetzung eines modernen und zeitgemäßen Lern- und Leistungsbegriffs. Entsprechende Möglichkeiten alternativer Leistungsbeurteilungen sind von Seiten der Schulverwaltung rechtlich zur Verfügung zu stellen. Medienkompetenz ist stärker in den Lehrplänen zu verankern, einheitliche Standards für digitale Lehr- und Lernmittel zu schaffen und die Lehrpläne stärker auf den Einsatz elektronischer Medien auszurichten. Zusätzlich dazu benötigen die Lehrerinnen und Lehrer genügend Zeit, um sich die digitalen Medien anzueignen und computergestützte Unterrichtsstunden vorzubereiten. Entsprechende Zeitbudgets sind zu schaffen.

6. Lehrerbildung

Es muss mehr in die Lehrerweiterbildung für das Lehren und Lernen mit elektronischen Medien investiert werden. Bisher geschieht der Erwerb digitaler Kompetenzen meist privat und durch Eigeninteresse. Der Erwerb solcher Kompetenzen sollte daher in allen drei Phasen der Lehrerbildung verankert werden. Das Studium und das Referendariat müssen angemessen auf den Unterricht mit digitalen Medien vorbereiten, die einschlägigen Weiterbildungsangebote für Lehrkräfte müssen ausgebaut werden (Medienerziehung, Medienpädagogik und Mediendidaktik). Themen könnten z.B. pädagogische Aspekte des Digitalen Lernens, Urheberrecht und Datenschutz, Jugendschutz, Technische Themen und sonstige digitale Aspekte sein. (Zeitliche) Freiräume zur individuellen Fortbildung, auch für Online-Fortbildungen und E-Sessions sind den Lehrkräften zur Verfügung zu stellen. Damit kann der Erwerb kontinuierlicher und systematischer Kompetenzen und Einstellungen ermöglicht werden.

7. Lerninhalte: Digitale Kompetenz

Internationale Vergleichsstudien zu digitalen Kompetenzen bescheinigen den deutschen Schülerinnen und Schülern nur durchschnittliche Fähigkeiten. In einer zunehmend digitalisierten Gesellschaft sollten Schulen Heranwachsenden einen kompetenten und kritischen Umgang mit neuen Technologien vermitteln, damit diese erfolgreich am privaten, beruflichen und gesellschaftlichen Leben im 21. Jahrhundert teilhaben können. Um das zu erreichen ist es notwendig, digitale Kompetenzen der Kinder und Jugendlichen im Rahmen der Lerninhalte zu stärken. Lehrpläne, Unterrichtsmaterialien, Lehrbücher und Lernprogramme sind deshalb so zu gestalten, dass eine bestmögliche Förderung zeitgemäßer Kompetenzen möglich ist.

Diese sind z.B. die Nutzung des Internets für Recherchen, Bedienung von Programmen, richtiges Verhalten in Chats und Sozialen Netzwerken, allgemeine Handhabung von digitaler Technik, rechtliche Grundlagen im Internet, technische Grundlagen bis hin zum Programmieren. In den Lehrplänen, vor allem in den fachspezifischen, sind Hinweise für den Einsatz digitaler Medien im Unterricht zu integrieren. Vorgaben zu medienbasierten Lehr- und Lernangeboten sollten stärker in fachspezifischen Lehrplänen verankert werden.

Fazit

Schule muss sich als lernendes System verstehen und alle mitnehmen. Nur so können langfristig Schulen wachsen, in denen individueller mediengestützter Unterricht realisiert wird. Gleichzeitig eröffnet der professionelle Einsatz digitaler Medien neue Chancen im Bereich der großen Herausforderungen wie z.B. Inklusion, Heterogenität und Individualisierung. Die Voraussetzung dafür sind professionelle Strukturen mit einem großzügigen Finanzkonzept, damit sich alle an Schule Beteiligten den neuen Herausforderungen einer sich wandelnden Schule stellen können. Leitend sollte der Gedanke eines sinnvollen Einsatzes digitaler Technik und Medien im Unterricht sein. Auf dieser Basis können Schülerinnen und Schüler optimal in ihrem individuellen Lernprozess gefördert und zu mehr Eigenverantwortung und Selbstreflexion ermutigt werden – Grundkompetenzen im digitalen Zeitalter. Folglich geht es vor allem darum, moderne Technik und moderne pädagogische Konzepte so miteinander zu verknüpfen, dass die jungen Menschen an den Schulen maximal profitieren.

Digitalisierung im Unterricht kann die Motivation und die Zusammenarbeit steigern und das Lernen fördern. Das hängt jedoch weniger von den Geräten, als vielmehr von dessen Einsatz in einem abwechslungsreich gestalteten Unterricht ab. Denn eines ist klar: Die Zukunft unserer Gesellschaft hängt davon ab, wie wir die Potentiale und Talente der jungen Menschen fördern. In diesem Zusammenhang spielen Bildung als Grundlage unserer Wissensgesellschaft und ihre aktive Gestaltung sowie digitale Weiterentwicklung eine zentrale Rolle. Eine Gesellschaft im technologischen Wandel braucht deshalb auch eine sich wandelnde Schule. Aktuelle pädagogische Handlungsmuster müssen sich auch an neuen gesellschaftlichen Anforderungen messen lassen.

Digitale Technik kann als sinnvoll eingesetztes Hilfsmittel zur individuellen Förderung der Schülerinnen und Schüler beitragen und den Schulalltag bereichern. Dazu müssen allerdings die oben genannten Voraussetzungen erfüllt sein.


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