Kernforderungen für den Schulbetrieb
Positionspapier des VBE Bundesvorstandes zu Konzepten für den Schulbetrieb
veröffentlicht am 19. Juni 2020
Weiter bleibt unklar, wie es nach den Sommerferien weitergeht. Die Kultusministerien streben jedoch einen regulären Schulbetrieb an. Dass das schon aufgrund des Personalmangels nicht flächendeckend möglich sein wird, hat der Bundesvorsitzende des VBE, Udo Beckmann, zum Beispiel in einem Pressedienst deutlich gemacht. Er forderte hier die Kultusministerien vor ihrer Konferenz im Juni dazu auf, sich ehrlich zu machen. Nach der entsprechenden KMK-Sitzung hat der VBE Bundesvorstand auf seiner Sitzung am 19. Juni 2020 einstimmig eine Position zu Konzepten für den Schulbetrieb verabschiedet.
Nachdem das Infektionsgeschehen mit dem Corona-Virus zuletzt deutlich abgeschwächt werden konnte, wurden die Schulen wieder schrittweise geöffnet. In immer mehr Bundesländern wird nun die Rückkehr zum regulären Schulbetrieb angestrebt. Dafür werden momentan Konzepte erarbeitet. Wir haben fünf Kernforderungen, die bei der Planung zu berücksichtigen sind.
1. Transparente Pläne für unterschiedliche Szenarien
Da nicht abzusehen ist, wie sich das Infektionsgeschehen weiter entwickeln wird, aber es gemeinsames Ziel aller Beteiligten sein muss, auf alle eintretenden Situationen möglichst umfassend vorbereitet zu sein, braucht es durch die Politik Planungen für unterschiedliche Szenarien. Diese müssen transparent und öffentlich kommuniziert werden, sodass bei jedem eintretenden Szenario allen klar ist, was zu tun ist und wer für wen Ansprechperson ist.
Essenziell ist zudem, dass die Schulleitungen konkrete Rahmenanforderungen erhalten, an denen sie sich orientieren, innerhalb derer sie aber entsprechend der Situation vor Ort frei agieren können. Die Eigenverantwortung muss unterstützt werden, aber darf kein Mittel zum Abschieben von Verantwortung sein. Die Haftung für alle Lockerungsmaßnahmen trägt das Ministerium.
2. Ressourcenorientierung statt Theorie
Die Planungen müssen sich an den zur Verfügung stehenden Ressourcen orientieren. Dabei ist insbesondere auf Vorhaben zu verzichten, die weder personell noch durch die entsprechende Ausstattung in den Schulen unterlegt sind. Dazu gehört auch das Eingeständnis, dass mittelfristig flächendeckend kein regulärer Schulbetrieb gewährleistet werden kann – und von der Politik auch nicht versprochen werden darf.
3. Mehr Zeit und Wertschätzung für neue Kompetenzen statt starrer Curricula
Der aktuellen Situation angemessen braucht es Zeit: für die Aufarbeitung, für die Wiedereinführung von Strukturen, für das Einüben des Umgangs mit digitalen Endgeräten. Das muss Vorrang haben vor dem Abarbeiten starrer curricularer Anforderungen. Dafür braucht es entsprechende Vorgaben.
Zudem ist wertzuschätzen, dass Schülerinnen und Schüler in der Krise Kompetenzen, wie zum Beispiel Eigenständigkeit und Resilienz, weiterentwickelt oder neu erworben haben.
4. Arbeits- und Gesundheitsschutz im Fokus
Es ist intensiv zwischen einem möglichst normalen Schulbetrieb und dem bestmöglichen Arbeits- und Gesundheitsschutz für alle an Schule Beteiligten abzuwägen. Jede Aufhebung von Schutzmaßnahmen an Schulen muss wohlüberlegt sein und gut begründet sowie ausführlich kommuniziert werden. Bei jeder Lockerung ist von der Politik zu erläutern, welche alternativen Schutzmaßnahmen getroffen werden.
Neben der Frage nach den Ressourcen für die wirksame Einhaltung von Hygieneregeln, wie Desinfektionsmitteln oder Reinigungskräften, muss auch eine psychologische Betreuung der Lehrenden und Lernenden gewährleistet werden. Dies gelingt am besten in multiprofessionellen Teams. Insbesondere sind Schulgesundheitsfachkräfte flächendeckend bedarfsgerecht einzusetzen, die Lehrkräfte unterstützen und die Prävention befördern können.
Solange in der Gesellschaft eine Definition für Risikogruppen aufrechterhalten wird, muss dies auch für in Schule Beschäftigte gelten. Deshalb braucht es klare und nachvollziehbare Regelungen, wie sich Lehrkräfte, die Risikogruppen angehören, von der Pflicht, vor Ort zu unterrichten, entbinden lassen können. Dies ist keine Entscheidung, die der Schulleitung aufgebürdet werden darf.
Auch für Schülerinnen und Schüler, die Risikogruppen angehören, braucht es klare Regelungen für die Befreiung vom Präsenzunterricht und Konzepte für die Unterstützung im Homelearning.
5. Lernrückstände ausgleichen; Bildungsgerechtigkeit fördern
Durch die unterschiedliche Förderung der Schülerinnen und Schüler zu Hause und ihre unterschiedlichen kognitiven Voraussetzungen ist es insbesondere in der Zeit der Schulschließungen zu teilweise gravierenden Lernunterschieden gekommen, die nun stärkenorientiert auszugleichen sind. In Anbetracht der herausfordernden Situation durch die steigende Heterogenität in den Lerngruppen brauchen wir zur Umsetzung der individuellen Förderung mehr Personal, zum Beispiel durch den bedarfsgerechten Einsatz multiprofessioneller Teams.
Die Ausstattung mit digitalen Endgeräten und die Begleitung durch eine pädagogische Fachkraft sind für diese Kinder und Jugendlichen prioritär sicherzustellen.
Rechtzeitig vor Schuljahresbeginn müssen die Prüfungsszenarien des Schuljahres 2020/2021 transparent geregelt werden – für Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler und deren Eltern. Hierfür sind auch die Prüfungsinhalte mit Blick auf entfallene gemeinsame Lernzeiten und –inhalte zu überprüfen und ggf. anzupassen.