Haltung zählt: Schule für die Demokratie
veröffentlicht am 9. November 2017
Auf die zunehmende Verrohung der Sprache und Umgangsformen hat der bayerische Landesverband des VBE, der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband BLLV, mit seinem Manifest: Haltung zählt! aufmerksam gemacht und angemahnt, sich diesem Trend entgegenzustellen - in dem Haltung gezeigt wird. Der VBE Bundesverband unterstützt, wie auch alle weiteren 15 Landesverbände des VBE, das Manifest „HALTUNG ZÄHLT“ des bayerischen Landesverbandes BLLV.
In der Fortführung dieses Manifests wurde in der VBE Bundesversammlung von dem Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband eine Position vorgelegt, wie Schülerinnen und Schüler den demokratischen Prozess besser verstehen und an ihm teilnehmen können. Die VBE Bundesversammlung hat diese Position einstimmig beschlossen und damit den VBE am 09. November 2017 dazu aufgefordert, diese Position öffentlichkeitswirksam zu vertreten. Der VBE erwartet von der Politik:
- die Aufwertung der Bedeutung des Bildungsziels Demokratie,
- die Stärkung der politischen Bildung,
- die Stärkung der politischen Medienkompetenz,
- mehr erfahrbare Partizipation in einer demokratischen Schule,
- Demokratischen Unterricht,
- die feste Verankerung der Demokratiepädagogik in der Lehrerbildung.
Positionstext
Die Angriffe auf die Demokratie häufen sich und sie werden massiver. Es besteht die Gefahr, dass die Feinde von Freiheit und Selbstbestimmung immer weiter Raum greifen. Der BLLV hat in seinem Manifest: HALTUNG ZÄHLT auf die Gefahren einer Verrohung der Sprache und der politischen Kultur hingewiesen. In einer solchen Stimmung heißt es, Haltung zu zeigen. Doch Haltung zeigen kann nur, wer eine Haltung hat. Und die Aufgabe von Schule und Bildung ist, dafür zu sorgen, dass die uns anvertrauten Schülerinnen und Schüler, und damit die nachfolgenden Generationen eine demokratische Haltung entwickeln.
Die Institution Schule hat die Aufgabe, demokratische und mündige Staatsbürger zu erziehen. Mündige Staatsbürger verteidigen die Demokratie, weil sie sich mit ihr als Lebensform identifizieren. Dazu darf Demokratie in den Schulen nicht nur Lerngegenstand sein, dessen Funktionsweise und Institutionen im Lehrplan stehen, sondern darüber hinaus zu einer Lebensform werden, die im Unterricht und in der Schule gelebt wird. Bereits heute gibt es sehr viele beeindruckende Projekte und Initiativen, in denen genau dies erreicht wird. Sei es bei „Schule ohne Rassismus“, sei es bei Aktionen gegen Rechtsradikalismus, sei es bei Projekten des sozialen Lernens: In vielen Schulen zeigen Lehrerinnen und Lehrer mit ihren Schülerinnen und Schülern eindrucksvoll, was an gelebter Demokratie, an sozialem Engagement und aktiver Beteiligung an der Bürgergesellschaft mit Kindern und Jugendlichen möglich ist. Zahlreiche Wettbewerbe, wie etwa Demokratisch Handeln, stellen dies Jahr für Jahr unter Beweis. Allerdings gehen diese vorbildlichen Leuchtturm-Projekte zu sehr auf die Initiative Einzelner zurück.
Es fehlt vor allem an systematischer Unterstützung durch Bildungspolitik und Schulverwaltung. Dieser Mangel beginnt bei dem geringen Gewicht politischer Bildung in den Stundentafeln. Aus Sicht des VBE müssen deshalb folgende Handlungsfelder und konkrete Forderungen beachtet werden:
I. Aufwertung der Bedeutung des Bildungsziels Demokratie
In einer stark auf das Erlernen und die Reproduktion von Fachinhalten sowie auf die Benotung und Bewertung der Schülerinnen und Schüler ausgerichteten Schule drohen die überfachlichen Lern- und Bildungsziele in den Hintergrund zu geraten. Deshalb müssen diese übergeordneten Verfassungsziele erheblich mehr Gewicht im Schulalltag bekommen. Dies gilt in besonderem Maße für die Demokratiepädagogik. Deshalb fordert der VBE:
- Zeit für die Umsetzung demokratiepädagogischer Prozesse,
- feste Verankerung von Projektunterricht in den Lehrplänen und Stundentafeln, der mit bürgerschaftlichen, sozial-karitativen oder demokratiepädagogischen Inhalten gestaltet werden kann,
- mehr Freiraum für die Behandlung aktueller politischer Ereignisse im Unterricht,
- die Unterstützung der Bundesländer für den Wettbewerb „Demokratisch Handeln“.
II. Stärkung der politischen Bildung
Wissen um politische Entscheidungsprozesse ist die Voraussetzung für Vertrauen in Demokratie, Wissen um die Komplexität gesellschaftlicher Zusammenhänge und die Folgen politischer Entscheidungen Grundlage für das Verstehen komplexer Meinungsbildungsprozesse und deren Umsetzung. Deshalb fordert der VBE:
- die Ausweitung des Stundenumfangs der Fächer politischer Bildung in allen Schularten,
- den Beginn des Faches Sozialkunde in der Sekundarstufe I spätestens in der 8. Jahrgangsstufe,
- die Förderung von Projekttagen der politischen Bildung in allen Schularten und Jahrgangsstufen,
- eine stärkere und systematischere Unterstützung von Formaten wie „Jugend debattiert“, „Zeitung in der Schule“ usw. mit dem Ziel von deren weiteren Verbreitung.
III. Stärkung der politischen Medienkompetenz
Die neuen Medien sind heute zentraler Teil der demokratischen Meinungsbildung. Sie können genutzt werden zur Entwicklung demokratischen Bewusstseins und gesellschaftlicher Partizipation. Andererseits werden durch sie extremistisches und rassistisches Gedankengut und falsche Tatsachenbehauptungen verbreitet. Deshalb gewinnt die Fähigkeit zur kritischen Bewertung von Inhalten im Netz eine enorme Bedeutung für politische Bildung. Deshalb fordert der VBE:
- die Stärkung der Medienpädagogik,
- die Thematisierung von partizipativen Formen und Möglichkeiten der neuen Medien,
- die Thematisierung von Phänomenen wie Filterblase, Echokammereffekt oder Schweigespirale,
- die Stärkung der Kritikfähigkeit bezüglich Inhalte auf Websites, in Foren und in sozialen Netzwerken.
IV. Mehr Partizipation in einer demokratischen Schule
Gute Schulen sind demokratische Schulen. Dies bezieht auch die aktive Mitgestaltung und Mitwirkung von Schülerinnen und Schülern, Eltern und Lehrkräften ein. Damit wird Demokratie zum prägenden Prinzip schulischen Miteinanders und täglich gelebte Realität. Dies setzt eine funktionierende Vertrauenskultur zwischen allen Beteiligten und Ebenen voraus. Deshalb fordert der VBE:
- die Stärkung der Eigenverantwortung der einzelnen Schule,
- mehr Partizipationsrechte für Lehrkräfte, Eltern und Schülerinnen und Schüler bei schulischen Entscheidungen,
- die Förderung neuer partizipativer Modelle, wie Klassenrat und Schülerparlament
- eine Ausweitung der Kompetenzen des Schulforums,
- die Bereitstellung von Zeitressourcen (Stundenpool, Anrechnungsstunden) für demokratische Schulentwicklung und die Umsetzung partizipativer Elemente,
- eine stärkere Mitsprache der organisierten Schülerschaft,
- mehr Rechte für den Landesschülerrat,
- die Einführung eines Landeselternrates.
V. Demokratischer Unterricht
Demokratie ist mehr als ein Organisationsprinzip staatlicher Institutionen. Sie ist eine Lebensform, die den Umgang miteinander trägt. Deshalb muss in einer demokratischen Schule auch der Unterricht geprägt sein durch die Prinzipien der Demokratie und von gegenseitigem Respekt getragen. Deshalb fordert der VBE:
- die Etablierung einer wechselseitigen Feedbackkultur im Unterricht,
- andere Formen der Leistungsmessung und -rückmeldung,
- die Stärkung der Eigenverantwortung von Schülerinnen und Schülern für ihren Lernprozess.
VI. Demokratiepädagogik in der Lehrerbildung
Eine demokratische Schule bedingt einen demokratischen Unterrichtsstil und ein politisches Bewusstsein der unterrichtenden Lehrkräfte. Dies erfordert ein verändertes Lehrerbild. Deshalb fordert der VBE:
- die Stärkung demokratiepädagogischer Inhalte in allen drei Phasen der Lehrerbildung unabhängig von studiertem Lehramt und Fach,
- eine Orientierung am Leitbild demokratischer Unterricht in allen drei Phasen der Lehrerbildung,
- eine grundlegende Neukonzeption des Bereichs „Grundfragen der staatsbürgerlichen Bildung“ während des Referendariats,
- eine deutliche Ausweitung demokratiepädagogischer Angebote in der Lehrerfortbildung.