Inklusion

Multiprofessionelle Teams in der Schule

veröffentlicht am 17. November 2016


Durch steigende Heterogenität in den Lerngruppen benötigen Lehrkräfte für die individuelle Förderung aller Kinder auch Unterstützung in Form von professionell ausgebildeten Fachkräften. Aus diesem Grund hat die VBE Bundesversammlung den VBE am 17. November 2016 dazu aufgefordert, sich für Multiprofessionelle Teams an Schulen stark zu machen.

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Positionstext

Die Heterogenität an den Schulen steigt stetig. Damit entsteht eine enorme Vielfalt an Bedürfnissen, Talenten, Interessen, Potenzialen, Begabungen, sozialen Problemen und Lebensmodellen. Nur durch einen konstruktiven Umgang mit dieser Diversität und die individuelle Förderung aller Kinder kann Bildungsgerechtigkeit erreicht werden. Lehrkräfte benötigen hierfür Unterstützung in Form von professionell ausgebildeten Fachkräften. Schule muss deshalb ein Ort multiprofessioneller Teams werden. Durch den dauerhaften Einsatz dieser Teams können die Kinder bestmöglich gefördert, eventuelle Problemlagen gemildert bzw. vermieden und Kontinuität und Planbarkeit hergestellt werden.

Die Zusammenarbeit in multiprofessionellen Teams bedeutet immer ein gemeinsames Arbeiten. Soll heißen: kooperatives Erarbeiten, Konzeptionieren und Handeln. Das kann den Unterricht selbst und Lernzeit betreffen, aber auch Fördergruppen und Förderunterricht, genauso wie fachbezogene oder fachunabhängige Projekte. Es gibt verschiedene Möglichkeiten der Zusammenarbeit in multiprofessionellen Teams. Das Teamteaching, die Arbeit einer Lehrkraft mit einer unterstützenden Fachkraft und das Ermöglichen eines punktuell separaten Arbeitens. Die Verantwortung für den Unterricht bleibt bei der ursprünglich zuständigen Lehrkraft.

Voraussetzung für das gelingende Arbeiten in multiprofessionellen Teams ist die Bereitstellung zeitlicher und materieller Ressourcen für Kooperation und Organisation und die Etablierung fester Kooperationsstrukturen. Essenziell ist zudem die Unterstützung der Schulleitung durch die Bereitstellung dieser Ressourcen und Strukturen.

Mitglieder eines multiprofessionellen Teams können je nach Bedarf vor Ort unterschiedliche Professionen bzw. Qualifikationsmerkmale besitzen. Es können sein: Sonderpädagogen, Erzieher, Schulsozialarbeiter, (Schul-) Psychologen, Schulbegleiter, Diplom-/Sozialpädagogen, (Jugend-) Sozialarbeiter, Integrationshelfer, Mitarbeiter der Jugendhilfe und Lern-/Physiotherapeuten. Die Koordination aller Mitarbeiter erfolgt über die Schulleitung. Qualitätsstandards sichern das Niveau der Unterstützung und sind durch zusätzliche Ressourcen der Schulverwaltung zu erarbeiten.

Außerdem sollte ein Kompetenznetzwerk rund um die Schule aufgebaut werden. Dieses verbindet außerschulische Institutionen und Professionen zu einem verbindlichen Unterstützungssystem. Konkrete Ansprechpartner mit entsprechenden Kenntnissen und Ressourcen können bei Bedarf an den Schulen tätig werden. Hierzu zählen u.a. Schulärzte und Krankenschwestern, Präventionsbeauftragte der Polizei, Mitarbeiter aus Hochschulen, Werkstudenten, Handwerker.

Allgemeingültige Aussagen zur Finanzierung multiprofessioneller Teams werden der Verschiedenheit der Regelungen und Möglichkeiten der Bundesländer nicht gerecht. Es ist jedoch herauszustellen, dass eine optimale Verteilung nicht nach dem Gießkannenprinzip funktioniert, sondern eine passgenaue, bedarfsgerechte Zuteilung von Stellen, Stunden und Budget vorsieht.

Durch die Unterstützung multiprofessioneller Teams werden bessere Voraussetzungen geschaffen, um beständige und tragfähige Lehr-Lernbeziehung zu den Schülern aufzubauen und sie in ihren emotionalen, sozialen und kognitiven Fähigkeiten zu fördern. Die Lehrkräfte werden damit immer stärker zu Lernbegleitern, die in multiprofessionellen Teams unterstützt und entlastet werden.

Hintergrundtext zur Position: Multiprofessionalität in der Schule

Gesellschaftliche Umbrüche und systemische Veränderungen sorgen dafür, dass die Heterogenität in den Schulen immer mehr zunimmt. Bedeutende Faktoren dabei sind die Migration und die Situation der Flüchtenden, die Vielfalt der Lebensentwürfe, die Individualisierung, die Bemühungen der Umsetzung von inklusiver Bildung oder auch Einrichtung jahrgangsgemischter Klassen. Bei 800.000 Lehrkräften und 11 Millionen Kindern und Jugendlichen bedeutet das eine enorme Vielfalt an Bedürfnissen, Talenten, Interessen, Potentialen, Begabungen, sozialen Problemen und Lebensmodellen. Eine wesentliche Aufgabe von Schule ist es, dieser Heterogenität angemessen zu begegnen, d.h. den Bedürfnissen jedes einzelnen Kindes und Jugendlichen gerecht zu werden. Die Schulen und die Lehrkräfte stehen deshalb täglich vor der Herausforderung, mit diesen vielfältigen Bildungsvoraussetzungen, Interessen und Potentialen der Schüler, mit unterschiedlichen kulturellen und sprachlichen Hintergründen konstruktiv umzugehen. Ziel ist das Erreichen von mehr Bildungsgerechtigkeit, die Förderung der Begabungen, Potentiale und Interessen der Schüler.

Bei dieser Vielfalt und den viel zu großen Lerngruppen benötigen die Lehrkräfte jedoch Unterstützung in Form von professionell ausgebildeten Fachkräften. Schule muss deshalb ein Ort multiprofessioneller Teams werden, um den Herausforderungen und der steigenden Heterogenität der Lernenden adäquat begegnen, um sie in ihren Lernprozessen angemessen begleiten und individuell fördern zu können.

Unerlässlich in diesem Zusammenhang ist, dass die Schulen die zusätzlichen Lehr- oder Fachkräfte nicht erst bereit gestellt bekommen, wenn Probleme o.ä. vorhanden sind. Im Sinne eines auch präventiven Ansatzes soll die Schule vor Ort entscheiden, an welcher Stelle sie Unterstützung durch die Arbeit von multiprofessionellen Teams benötigt. So können eventuelle Problemlagen vermieden, Kontinuität und Planbarkeit hergestellt und die Kinder bestmöglich gefördert werden.

Die Verantwortung und Zuständigkeit für den Unterricht und dessen Umsetzung bleibt bei der ursprünglich zuständigen Lehrkraft. Diese wird von weiteren Lehr- oder Fachkräften nach Bedarf bei der Erziehungs- und Bildungsarbeit unterstützt.

Die Zusammenarbeit in multiprofessionellen Teams bedeutet:

  • Teamteaching: Zwei Lehrkräfte führen den Unterricht mit allen Schülern gemeinsam durch, indem sie gemeinsam oder abwechselnd die Führung übernehmen.
  • Lehrkraft und unterstützende Fachkraft: Die Lehrkraft übernimmt die Unterrichtsverantwortung, die Fachkraft unterstützt Schüler bei ihrer Arbeit, bei der Regulation ihres Verhaltens, bei der Verwirklichung ihrer kommunikativen Absichten usw.
  • Punktuell separates Arbeiten: Hält die Lehrkraft es für notwendig, dass mit einer Schülerin oder einem Schüler für eine bestimmte Zeit separat gearbeitet wird (z.B. zur Traumabewältigung bei Flüchtlingen), dann kann die zweite Lehr- oder Fachkraft für diese Zeit separat mit den Schülern arbeiten, um sie danach wieder in die Klasse zurückzuführen.

Die Arbeit in multiprofessionellen Teams bedeutet im Allgemeinen ein „zusammen arbeiten“. Zwar ist die ursprünglich zugeteilte Lehrkraft jederzeit verantwortlich für die Planung und Umsetzung des Unterrichts, allerdings erhält sie hierbei je nach Bedarf Unterstützung durch weitere Lehr- oder Fachkräfte. Multiprofessionelles Arbeiten bedeutet nicht, dass die Lehrkraft den Unterricht durchführt und Fachkräfte nur zur Durchführung anderer schulischer Veranstaltungen herangezogen werden.

Des Weiteren ist damit nicht gemeint, dass die Lehrkraft den Unterricht am Vormittag durchführt, während z.B. in Ganztagsschulen am Nachmittag nur andere Fachkräfte mit den Kindern arbeiten, lernen oder betreuen. Multiprofessionelle Teams arbeiten miteinander, nicht nacheinander. Multiprofessionalität zielt vor diesem Hintergrund deshalb auf die Betonung des gemeinsamen Erarbeitens, Konzeptionierens und Handelns ab.

Die Tätigkeitsbereiche multiprofessioneller Teams können unterschiedlich sein und sich beziehen auf:

... den Unterricht selbst

... Fördergruppen und Förderunterricht

... Fachbezogene Angebote (z. B. in Arbeitsgruppen, Projekten)

... Lernzeit (Übungszeit, Hausaufgaben)

... Fachunabhängige Projekte (Arbeitsgruppen und Kurse)

Voraussetzungen für ein gelingendes Arbeiten multiprofessioneller Teams

Lehrerkooperation gilt als zentrale Bedingung für gelingende Prozesse der Schul- und Unterrichtsentwicklung, als Kernmerkmal moderner Lehrerprofessionalität und als mögliche Quelle beruflicher Entlastung. Einer funktionierenden Zusammenarbeit der Lehr- und Fachkräfte untereinander kommt demnach eine große Bedeutung zu. Damit diese Kooperation gelingt, gilt es im Allgemeinen auf vier Aspekte zu achten bzw. diese an den Schulen bereitzustellen:

  1. Zeitliche Ressourcen: Kooperationszeit muss als fester Bestandteil der Arbeitszeit in den Schulalltag integriert, Organisationszeit zu Verfügung gestellt werden (Zeit für Teamentwicklung; Besprechungszeit, Teamzeit). Zeitpläne für eine Zusammenarbeit (auch außerhalb der Regelschulzeit) sind zu koordinieren. Beim Entwurf des Stundenplans müssen  Gelegenheiten zur Teamarbeit gezielt gesetzt werden. Die multiprofessionellen Teams benötigen zeitliche Ressourcen, damit sich die Teams koordinieren, entwickeln und zusammenwachsen können.
  2. Koordinationsstrukturen: In den Schulen sind feste Kooperationsstrukturen einzurichten. Eine wichtige Voraussetzung für die gelingende Zusammenarbeit von Teams ist die Etablierung von Strukturen, die eine Kooperation innerhalb und zwischen Jahrgangsstufen unterstützen. Zu solchen Strukturen können u. a. Absprachen zur Organisation des Unterrichts und zur Förderung von Schülern getroffen werden. Des Weiteren bedarf es fester Ansprechpartner, die Kooperationen zwischen den einzelnen Akteuren unterstützen.
  3. Materielle Ressourcen: Für die Teamarbeit stehen Arbeitsräume mit ausreichender Ausstattung zur Verfügung. Den Lehr- und Fachkräften steht bei Bedarf ein Arbeitsplatz zur Verfügung.
  4. Unterstützung durch die Schulleitung: Die Schulleitung setzt sich dafür ein, dass die Lehr- und Fachkräfte über den fachlichen Austausch hinaus zusammenarbeiten. Sie fördert diese Kooperation durch Bereitstellung entsprechender Räumlichkeiten, Strukturen und zeitlicher Ressourcen.

Die Bereitstellung bzw. Umsetzung dieser Aspekte fördert den Austausch und die Kooperation und sorgt für eine gelingende Zusammenarbeit der multiprofessionellen Teams.

Die Mitglieder multiprofessioneller Teams

Ein multiprofessionelles Team kann aus mehreren Lehrkräften (z.B. unterschiedlicher Fachrichtungen) bestehen, muss es aber nicht. Oftmals können Fachkräfte anderer Professionen eine gute Unterstützung für die verantwortliche Lehrkraft darstellen. Diese Lehr- bzw. Fachkräfte sind nicht auf die Grundversorgung anzurechnen, sondern müssen „on top“ zur Verfügung gestellt werden. Im Sinne einer Qualitätssicherung bei der Auswahl der externen Fachkräfte muss auf Qualitätsstandards zurückgegriffen werden. Damit wird sichergestellt, welche Kriterien an die jeweilige Fachkraft gestellt werden und welches Anspruchsniveau dem Einbezug der Experten zugrunde liegt. Bei der Entwicklung solcher Standards ist eine Unterstützung durch den Dienstherrn der jeweiligen Länder erforderlich. Entweder durch die Bereitstellung von Ressourcen oder anwendbarer Qualitätsstandards. Zusätzlich dazu sind Aufgabenbeschreibungen anzufertigen, um die Zuständigkeiten zu klären.

Ein multiprofessionelles Team wird grundsätzliches rund um die Lehrkraft aufgebaut, die für den Unterricht zuständig ist. Die weiteren Mitglieder der Teams, können (neben einer zweiten Lehrkraft) je nach Bedarf vor Ort unterschiedliche Professionen bzw. Qualifikationsmerkmale besitzen.

Folgende Gruppen pädagogischen Personals können Mitglieder des multiprofessionellen Teams sein. Die Koordination aller Mitarbeiter erfolgt über die Schulleitung.

  • Sonderpädagogen
  • Erzieher
  • Schulsozialarbeiter
  • (Schul-) Psychologen
  • Schulassistenten, Schulbegleiter
  • Diplompädagogen, Sozialpädagogen
  • Mitarbeiter der Jugendhilfe
  • Sozialarbeiter; Jugendsozialarbeiter
  • Integrationshelfer
  • Lerntherapeuten, Physiotherapeuten

Aufbau eines Netzwerks

Um eine schnelle Verfügbarkeit von externen Fachkräften zu ermöglichen und um sicherzustellen, dass diese mit den regionalen bzw. lokalen Gegebenheiten, Milieulagen, Angeboten, der Wirtschaft und Arbeitsverwaltung vertraut sind, soll ein Kompetenznetzwerk rund um die Schule aufgebaut und gepflegt werden. Dieses Kompetenznetzwerk verbindet die außerschulischen Institutionen und Professionen zu einem verbindlichen Unterstützungssystem mit den Schulen.
Die außerschulischen Einrichtungen und Partner können somit die Schulen unterstützen, indem konkrete Ansprechpartner zur Verfügung stehen, die über die entsprechenden Kenntnisse und Ressourcen verfügen und bei Bedarf an den Schulen tätig werden.

Folgende Fachkräfte können dieses Kompetenznetzwerk darstellen:

  • Präventionsbeauftragte der Polizei
  • Mitarbeiter aus Hochschule und Fachschule
  • Werkstudenten
  • Heilpädagogen
  • Schulärzte, Krankenschwestern
  • Handwerker, Künstler
  • FSJ-ler
  • Logopäden
  • Ernährungsberater

Rechtliche Aspekte

Durch die Festlegung von Qualitätsstandards wird sichergestellt, dass die anzustellenden Personen eine qualifizierte Ausbildung besitzen. Die Schulverwaltung stellt hierfür zusätzliche Ressourcen zur Verfügung.

Bei der Finanzierung multiprofessioneller Teams und der Zuständigkeit für die Mitglieder unterschiedlicher Professionen in den Bundesländern ist die föderale Struktur deutscher Bildungspolitik zu berücksichtigen. Allgemeingültige Aussagen werden der Verschiedenheit der Regelungen und Möglichkeiten der Bundesländer nicht gerecht. Es ist jedoch herauszustellen, dass eine optimale Verteilung nicht nach dem Gießkannenprinzip funktioniert, sondern eine passgenaue, bedarfsgerechte Zuteilung von Stellen, Stunden und Budget vorsieht. Die multiprofessionellen Teams bzw. Lehr- und Fachkräfte, die angestellt werden, sollten außerdem allen Schulformen gleichermaßen zur Verfügung stehen.

Auswirkungen

Multiprofessionelle Teams sind notwendig, um den individuellen Bedürfnissen und dem einzelnen Kind pädagogisch differenziert und sozial gerecht werden zu können. Gerecht wird es den Schülern deshalb, weil starke Lernbeziehungen den Lernprozess fördern. Dadurch werden bessere Voraussetzungen geschaffen, um beständige und tragfähige Lehr-Lernbeziehung zu den Schülern aufzubauen und sie in ihren emotionalen, sozialen und kognitiven Fähigkeiten zu fördern. Dies stellt den pädagogischen Mehrwert solcher Teams dar. Die Lehrkräfte werden damit immer stärker zu Lernbegleitern, die in multiprofessionellen Teams unterstützt werden.