Kein Kind zum Verlierer machen
11. Tutzinger Netzwerktagung:
Gegen eine „Festungsmentalität“ als Antwort auf Gewalt an Schulen wandte sich VBE-Bundesvorsitzender Udo Beckmann auf der Tagung des Tutzinger Netzwerks für Schule und Lehrer. „Schule darf nicht zum Hochsicherheitstrakt mutieren“, so Beckmann. Videobeobachtung und private Wachdienste würden eine trügerische Sicherheit vermitteln, führten aber letztlich zu Verunsicherung und schlimmstenfalls zu Misstrauen zwischen Schülern und Lehrern sowie Lehrern und Eltern.
Die 11. Fachtagung des Netzwerks gestern und heute in der Evangelischen Akademie Tutzing hat das Thema: „Schule. Vom pädagogischen Erfahrungsraum zum Hochsicherheitstrakt?“
Beckmann forderte die Politik auf, nicht nur von individueller Förderung der Schüler zu reden, sondern die nötigen Gelingensbedingungen für jede Schule zu sichern. „Für den VBE steht fest“, erklärte der VBE-Bundesvorsitzende, „Schüler am Ende der Grundschulzeit bestimmten Bildungsgängen nach überholten Begabungstheorien zuzuordnen, konterkariert individuelles Fördern. Lehrerinnen und Lehrer müssen vielmehr unterm Schuldach eine Situation vorfinden, dass sie jedes Kind so annehmen können, wie es ist, dass kein Kind das Gefühl hat, Verlierer zu sein. Damit das gelingt, müssen sie ihre Kompetenzen als Fachleute für Unterricht und Erziehung zusammenfügen können mit den Kompetenzen von Sonderpädagogen, Schulsozialarbeitern, Schulpsychologen und Erzieherinnen und Erziehern.“ Die Einbettung von Schule in ein Unterstützungssystem, das Fort- und Weiterbildung umfasse, sei die beste Prävention gegen Gewalt. Ebenso brauchten Schulen ihre Schulsekretärin und ihren Hausmeister, der oft als Seele vom Ganzen fungierte. „Facility Manager entlasten sicher den Schulträgeretat kurzfristig, aber die Schule wird dadurch ärmer“, so Beckmann.
Roswitha Terlinden, Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Tutzing, betonte: „Die Konfliktprävention ist gemeinsamer Auftrag für Lehrer, Sozialpädagogen, Schüler und Eltern. Fachliche Leistungen dürfen nicht mehr zum alleinigen Maßstab für die Persönlichkeit des Schülers gemacht werden.“ Das entziehe Gewalt den Boden, weil Gewalt die Faszination ausübe, scheinbar Probleme zu lösen.
Professor Dr. Joachim Kahlert, Grundschulpädagoge, an der Münchener Ludwig-Maximilians-Universität, sagte: „Jedem Kind zu ermöglichen, sich nach Maßgabe seiner Fähigkeiten zu entwickeln, ist immanenter Auftrag der Schule in der Demokratie. Die Schule leistet damit eine bedeutenden Beitrag zum Zusammenhalt der Gesellschaft.“ Es sei der falsche Weg, so Kahlert, Schule rundum zu vermessen und dann standardisiert mit Schülern umzugehen.
Das Tutzinger Netzwerk für Schule und Lehrer wurde im Mai 2000 ins Leben gerufen und ist eine Kooperation zwischen VBE-Bundesverband, dessen bayerischem Landesverband BLLV und der Evangelischen Akademie Tutzing. Es befördert den Dialog zwischen Lehrerinnen und Lehrern, Schulleitungen, Eltern, Erziehungswissenschaftlern, Lehrerbildnern und Bildungspolitikern.