Berlin, Schulleitung Bildungsfinanzierung

Schulleiter in Deutschland – hohe Erwartungen, miserable Bedingungen

forsa-Umfrage im VBE-Auftrag

„Die mangelnde Wertschätzung der Schulleiter durch die Politik ist ein Skandal“, stellte heute VBE-Bundesvorsitzender Udo Beckmann auf einer Pressekonferenz aus Anlass des bevorstehenden Weltlehrertages fest. „Von Schulleitern wird erwartet, dass sie Zugpferde* der Schulentwicklung sind, aber zugleich verweigern die Dienstherren amtsangemessene Bezahlung und Anrechnung von Leitungszeit auf Arbeitszeit. Auf Kosten der Schulleiter wird Haushaltssanierung betrieben. In der Wirtschaft sind Managementaufgaben hoch dotiert.“ Unter Hinweis auf die Kampagne des VBE „Mehr Gerechtigkeit wa(a)gen!“ betonte Beckmann, „das soziale Ranking im Lehrerberuf spiegelt sich auch auf Schulleitungsebene wieder. Leitungsarbeit in den unterschiedlichen Schulstufen wird Gleichwertigkeit verweigert. Der VBE fordert auch hier die Anerkennung von Gleichwertigkeit schulischer Führungsarbeit. Die Leitung einer Grundschule oder einer Schulform der Sekundarstufe I ist genauso wichtig wie die Leitung eines Gymnasiums.“

Beckmann weiter: „Der VBE fordert nachdrücklich die Stärkung der Schulleitungsämter:

  1. Anerkennung der Gleichwertigkeit von Schulleitung und amtsangemessene Bezahlung,
  2. Erhöhung der Anrechnungszeiten für Schulleitung,
  3. hinreichende Ausstattung der Schulen mit Verwaltungspersonal,
  4. gezielte Nachwuchsgewinnung für schulische Führungskräfte.“

Beckmann verwies auf die durch den VBE in Auftrag gegebene repräsentative Forsa-Umfrage. „86 Prozent der Bundesbürger meinen, dass Schulleiter selbst auch ausgebildete Lehrer sein müssen. Fast jeder zweite aber teilt die Meinung, dass Schulleiter nicht ausreichend auf ihre Aufgaben vorbereitet werden. Das schlägt sich nieder im Ansehen von Schulleitern. Nur 25 Prozent der Bundesbürger sagen, dass Schulleiter in der Bevölkerung ein hohes Ansehen haben, während 58 Prozent glauben, dass Schulleiter ein mittleres Ansehen haben. 14 Prozent gaben an, Schulleiter haben wenig Ansehen. Den Ruf einer Schule rechnen sechs Prozent der Bundesbürger eher dem Schulleiter zu. 59 Prozent meinen, dass der Ruf der Schule vom Schulleiter und dem Kollegium abhängt.“

Angesichts der unattraktiven Rahmenbedingungen für Schulleiter werde es immer schwieriger, frei werdende Stellen wieder zu besetzen, warnte Beckmann. „In den Flächenländern betrifft dies insbesondere kleine Schulen und Grundschulen, in den Stadtstaaten vorwiegend Schulen in Brennpunkten. Über 50 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer sind 50 Jahre und älter und bei den Schulleitungsmitgliedern liegt der Altersdurchschnitt noch höher. Obwohl bekannt ist, dass von Jahr zu Jahr immer mehr Schulleiter in den Ruhestand gehen, wird in keinem Bundesland gegengesteuert. Ein deutliches Alarmsignal ist die Zunahme mehrfacher Ausschreibungen von Schulleiterstellen, weil sich kein Bewerber meldet.“

„Besonders benachteiligt werden Frauen“, kritisierte Beckmann, „denn die Bedingungen für die Leitung von Grundschulen sind am schlechtesten. Die betroffenen Kolleginnen sind als Grundschullehrkräfte am unteren Ende der Besoldungsskala und haben im Amt des Schulleiters an kleinen Grundschulen netto eine Zulage zwischen 50 und 100 Euro zu erwarten, wenn sie die Probezeit erfolgreich bestehen. Bei höchster Unterrichtsverpflichtung, voller Klassenleitertätigkeit und Schulleiterverantwortung erhalten die Kolleginnen die geringste Bezahlung. Da die Unterrichtsversorgung Vorrang hat, können Schulleiter dort häufig nicht einmal die vier bis acht Sockelanrechnungsstunden auf Leitungszeit (je nach Bundesland) wahrnehmen und verlagern Leitungsarbeit ‚freiwillig‘ in die Abendstunden. In Sachsen werden Stellen für Grundschulleiter zum Teil nicht besetzt, weil sonst Stunden für die Erteilung von Unterricht fehlen würden (als Folge akuten Lehrermangels).“

Mit der Missachtung des Dienstherrn gegenüber schulischen Führungskräften müsse endlich Schluss sein, forderte Beckmann. „In allen Bundesländern lässt man sich bis zu sechs Monate Zeit bei der Ausschreibung von frei gewordenen Schulleiterstellen und setzt auf kommissarisches Leiten. Anspruch auf Amtszulagen oder eine Höhergruppierung haben Schulleiter in den meisten Bundesländern (Ausnahmen sind NRW, Schleswig-Holstein) erst nach erfolgreicher Bewährungszeit, die bis zu drei Jahre (in Sachsen) andauern kann. Bis dahin wird die Leitungsarbeit nur mit der Ehre, Schulleiter sein zu dürfen, entlohnt. Im Gegenzug wird bei rückgehenden Schülerzahlen sofort mit Streichen der Zulage oder Rückgruppierung reagiert.“ Es werfe ein bezeichnendes Licht auf die Dienstherren, dass in Zeiten zunehmenden Bildungsmonitorings keine vergleichbaren statistischen Angaben zur Lage der schulischen Führungskräfte bundesweit gemacht würden.

Um die Schulleitungskräfte, die im Amt sind, zu stärken und sie bei Ihren vielfältigen Aufgaben zu unterstützen, veranstalten der VBE und der zu Wolters Kluwer gehörende Carl Link Verlag am 16. und 17. März 2012 in Düsseldorf erstmals den Deutschen Schulleiterkongress. Unter dem Motto „Schulen gehen in Führung“ wendet sich der Kongress an schulische Führungskräfte aller Schulformen.

*Der Schulleiter ist, so ist es zum Beispiel einer Handreichung von 2008 für eigenverantwortliche Schulen in NRW zu entnehmen, verantwortlich für Qualitätsentwicklung, Personalmanagement, schulinterne und -externe Kommunikation und Kooperation sowie Innovation, Planung und Organisation.