Mannheim, Bildungsfinanzierung

VBE: Grundschule ist Hauptort für Leseförderung

Forschungsbericht zum FLOH-Lesefitness-Training vorgestellt

„Grundschulen sind die erste Adresse für systematische Leseförderung“, betonte heute VBE-Bundesvorsitzender Udo Beckmann in Mannheim. „Dafür müssen den Grundschulen endlich die nötigen Ressourcen garantiert werden. Die Grundschule steht in einem doppelten Dilemma. Grundschüler in Deutschland haben im internationalen Vergleich weniger Unterricht, während Grundschullehrkräfte die höchsten Unterrichtsverpflichtungen haben. Pro Grundschüler werden folglich nur 4400 Euro ausgegeben, aber im Durchschnitt der allgemeinbildenden Schulen 5600 Euro. Die Finanzierungspyramide im Bildungsbereich steht in Deutschland immer noch auf dem Kopf.“ Beckmann verwies auf Zahlen der OECD*: Sieben- bis Achtjährige haben an deutschen Grundschulen 22 Stunden Lesen, Schreiben, Literatur gegenüber 30 Stunden im OECD-Durchschnitt und sogar 32 Stunden im Durchschnitt der EU 21. Finnland weist 33 Stunden auf, Österreich 30. Für Neun- bis Elfjährige gibt es 17 Stunden in Deutschland, 21 in Finnland, 24 in Österreich. Der Durchschnitt liegt bei 22. Für 12 – 14-Jährige je 13 Stunden in Deutschland, Österreich, Finnland, 16 im OECD- und EU 21-Durchschnitt.

Beckmann weiter: „In der Grundschule wird das wesentliche Fundament angelegt. Der Kompetenzzuwachs beim Lesen verlangsamt sich mit aufsteigenden Schuljahren, bis die Lesekompetenz schließlich in der Jahrgangsstufe 9 nicht mehr zulegt. 20 Prozent der 15-Jährigen erfüllen die Mindeststandards im Fach Deutsch – Lesen, Zuhören, Orthografie – nicht.“** Außerschulische Leseprojekte gebe es seit PISA 2000 wie Sand am Meer, so der VBE-Bundesvorsitzende, aber diese könnten nur Ergänzung für eine systematische Leseförderung im Unterricht sein. Punktuelle Leseanreize würden in der Regel nur bei denen positive Wirkung zeigen, die schon gern lesen würden. 

Anlass für Beckmanns Forderungen war der Forschungsbericht „Basale Lesekompetenz fördern“, den  Prof. Dr. Gabriele Gien von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt heute auf der VBE Bundesversammlung vorstellte. Die Sprach- und Literaturdidaktikerin hatte das Lesefitness-Training für Grundschüler evaluiert, das von der Stiftung Lernen der Schul-Jugendzeitschriften floh/FLOHKISTE in Zusammenarbeit mit dem VBE für die Schulstufen 1 – 4 entwickelt worden war. In den zehn Jahren seines Bestehens haben inzwischen über 2,5 Millionen Kinder teilgenommen. Die empirische Studie mit über 1000 Probanden ergab, dass bei regelmäßigem und gezieltem Einsatz des Lesefitness-Trainings über vier Jahre die Schülerinnen und Schüler sowohl sicherer und schneller im Lesen waren als auch mehr Freude am Lesen und ein positives Leser-Selbstkonzept entwickelt hatten. Es bewährte sich insbesondere die Verbindung von regelmäßigem schulischem und häuslichem Lesen. Gien machte mit Blick auf die Hirnforschung deutlich, Lesen sei nicht als genetisches Programm wie etwa Sehen und Hören angelegt und müsse erlernt werden. Nur regelmäßiges Lesen führe zu einer Automatisierung der Leseprozesse, die sinnverstehendes Lesen und Teilnahme an literarischen Bildungsprozessen überhaupt erst ermöglichten. Gien warnte zugleich vor der Gefahr eines Teufelskreises bei Vernachlässigung systematischer Leseförderung. Schwache Leser würden das Lesen meiden und fehlende Übung würde die Lesefertigkeit nicht verbessern.  

* OECD-Bericht „Bildung auf einen Blick“ 2012
** Ländervergleich „Sprachliche Kompetenzen“ 2010 im Auftrag der KMK