Berlin, Gesundheit & Zufriedenheit

TALIS zeigt Chancen und Veränderungen im Lehrberuf – nur nicht für Deutschland

Veröffentlichung der OECD „TALIS“

„Die Strategie von ‚Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß‘ zu fahren, ist in Zeiten des Lehrkräftemangels geradezu verwerflich. Es ist unverständlich, weshalb sich Deutschland weiterhin weigert, an der internationalen Studie zur Berufszufriedenheit und den Arbeitsbedingungen von Lehrkräften (TALIS - Teaching and Learning International Survey) teilzunehmen, deren Ergebnisse heute veröffentlicht wurden“, kritisiert Udo Beckmann, Bundesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE). Entsprechend eines Beschlusses der Kultusministerkonferenz (KMK) hat sich Deutschland nach 2008 und 2013 auch 2018 nicht an der Erhebung der Daten für TALIS beteiligt. 

Insgesamt haben 90 Prozent der befragten Lehrkräfte und Schulleitungen bei TALIS angegeben, dass die Möglichkeit, einen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten und die Entwicklung von Kindern und jungen Menschen zu beeinflussen, wichtige Aspekte bei der Entscheidung waren, Lehrkraft zu werden. Dies deckt sich mit Ergebnissen mehrerer, vom VBE in Auftrag gegebener forsa-Umfragen zur Berufszufriedenheit von Lehrkräften (2016) und Schulleitungen (2018, 2019). In diesen konnte auch gezeigt werden, dass diese Berufsgruppen ihren Beruf lieben und sich durch die Arbeit mit Kindern, das Vermitteln von Wissen und ihr Interesse für das unterrichtete Fach motivieren. 

Ein Befund von TALIS ist, dass nur noch 78 Prozent einer Unterrichtsstunde dem tatsächlichen Unterricht gewidmet werden kann. In dem Rest der Zeit muss für Ruhe und Ordnung gesorgt oder administrative Aufgaben für die Klasse durchgeführt werden. „Diese Tendenz können wir für Deutschland auch bestätigen. Die Heterogenität in den Klassen schafft den Bedarf nach individueller Förderung. Die kann aber nur mit entsprechend hohem Personal- und Ressourceneinsatz gewährleistet werden“, mahnt der VBE Bundesvorsitzende. Dass die Aufgaben zunehmen, konnte auch in der forsa-Umfrage gezeigt werden. Beckmann erläutert: „Die große Mehrheit der Schulleitungen und Lehrkräfte gibt es als belastend an, dass die Politik bei ihren Entscheidungen den tatsächlichen Schulalltag nicht beachtet. Schule immer mehr Aufgaben zuzuweisen, gleichzeitig aber nicht die entsprechenden Ressourcen zur Verfügung zu stellen, verschlechtert die Situation zunehmend. In Zeiten des Lehrermangels bedeutet das insbesondere für die originär ausgebildeten Lehrkräfte eine immer höhere Arbeitsbelastung, die bereits erste Auswirkungen zeigt. So gibt jede dritte Schulleitung an, dass die Zahl der langfristig aufgrund psychischer Erkrankungen Ausfallenden zunimmt.“

Die überwiegende Mehrheit der bei TALIS befragten Lehrkräfte und Schulleitungen, nämlich 90 Prozent, hat im letzten Jahr an mindestens einer Fortbildung teilgenommen. Insbesondere das Fortbildungsangebot zur Entwicklung der Kompetenzen im Rahmen des Unterrichtens mit digitalen Endgeräten wird bemängelt. Auch dieser Befund deckt sich mit den Erfahrungen von Lehrkräften aus Deutschland, wie der VBE sie in einer forsa-Umfrage hat erheben lassen. Demnach bilden sich zum Thema „Digitalisierung“ 72 Prozent der Lehrkräfte privat fort, 65 Prozent konnten an Fort- und Weiterbildungen teilnehmen und 58 Prozent haben sich mithilfe von anderen Lehrkräften die notwendigen Kenntnisse angeeignet. Der Bundesvorsitzende Beckmann mahnte bei der Veröffentlichung der Daten: „Fortbildung ist kein Privatvergnügen. Wenn die Politik möchte, dass nicht nur Smartboards aufgehängt werden, sondern durch die Nutzung digitaler Endgeräte ein tatsächlicher pädagogischer Mehrwert entsteht, müssen in Zusammenarbeit von Praxis und Wissenschaft tragfähige Konzepte erforscht werden. Alle Lehrkräfte müssen innerhalb der Dienstzeit an, von staatlicher Seite angebotenen und bezahlten, qualitativ hochwertigen und stetig evaluierten und optimierten Fortbildungen teilnehmen können.“