Berlin, Lehrkräftebildung/-mangel

Traum der Bereicherung wird zu Alptraum für alle Beteiligten

„Wichtig ist nicht nur die Zahl der Seiten- und Quereinsteigenden. Relevant für deren Arbeiten in einer Schule und für den Bildungserfolg der Kinder und Jugendlichen ist eine angemessene, mindestens halbjährige Vorqualifizierung, die berufsbegleitende Weiterqualifizierung und die Möglichkeit für das Kollegium, die neu Hinzukommenden angemessen zu beraten. Dafür braucht es Kooperationszeit und Zeit für Unterrichtsbegleitung. All das wird aber in den meisten Bundesländern nicht ausreichend gewährleistet. Und damit wird der Traum von der Behebung des Lehrermangels zu einem Alptraum für alle Beteiligten: Die Seiten- und Quereinsteigenden werden von Beginn an alleine gelassen, das Kollegium muss für die notwendige Einarbeitung Überstunden einlegen und der Bildungserfolg der Kinder und Jugendlichen ist nicht mehr gesichert“, warnt Udo Beckmann, Bundesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) mit Blick auf die Abfrage der Rheinischen Post bei allen Kultusministerien, wie viele der neu eingestellten Lehrkräfte an Schulen Seiteneinsteigende seien.

Der VBE hatte im März 2019 eine durch ihn in Auftrag gegebene, repräsentative forsa-Umfrage veröffentlicht, in der über 1.200 Schulleitungen unter anderem zum Seiteneinstieg an ihren Schulen befragt wurden. Sagte 2018 noch jede dritte Schulleitung, mit Lehrermangel kämpfen zu müssen, war es 2019 jede zweite. Von den eigentlich zur Verfügung stehenden Stellen waren an den betroffenen Schulen durchschnittlich elf Prozent nicht besetzt. Deshalb beschäftigen 45 Prozent der Befragten Seiteneinsteigende. Von diesen geben zwei von drei Schulleitungen an, dass die Seiteneinsteigenden nicht angemessen vorqualifiziert werden. Beckmann zeigte bei der Pressekonferenz im Rahmen des Deutschen Schulleiterkongresses auf, wozu führt: „Kinder, die auf Lehrkräfte angewiesen sind, die mit besonders viel pädagogischem Geschick bilden und erziehen, wird besonders viel Unterricht durch dafür nicht angemessen qualifizierte Seiteneinsteigende gegeben. Hier setzt sich eine Abwärtsspirale in Gang, die bald nicht mehr aufzuhalten ist. Und es gibt sogar eine „doppelte Abwärtsspirale“, denn die originär ausgebildeten Lehrkräfte werden in Zeiten des Lehrermangels immer stärker beansprucht. Jede dritte Schulleitung gibt an, dass die Zahl der langfristig aufgrund psychischer Erkrankungen Ausfallenden zunimmt. So produziert der Lehrermangel eine Verschärfung des Lehrermangels. Die jahrelange Fehlplanung und das maßlose ‚Draufsatteln‘ von Aufgaben rächen sich jetzt.“