Berlin, Bildungsgerechtigkeit

Schulen brauchen klare Vorgaben, ausreichend Vorlaufzeit und hohe Verlässlichkeit

Entsprechend der bisher bekannt gewordenen Einigungen zwischen Bundesregierung und Ministerpräsidentenkonferenz kommentiert der Bundesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), Udo Beckmann: „Wir begrüßen, dass Einigkeit darüber erzielt werden konnte, dass die Bedingungen im Moment nicht gegeben sind, um die Schulen zu öffnen.“ Die Kultusministerkonferenz (KMK) wurde damit beauftragt, bis zum 29. April 2020 Szenarien zu erarbeiten, wie ab dem 04. Mai 2020 Schulöffnungen umgesetzt werden können. Vor diesem Hintergrund fordert der Bundesvorsitzende: „Die Politik muss praktikable Regelungen erarbeiten -mit bestem Wissen und Gewissen, beraten durch Wissenschaft und unter Einbezug der Stimmen aus der Praxis. Der VBE Bundesverband und seine 16 Landesverbände stehen gerne zur Verfügung, um in die Ausgestaltung der Regelungen die Expertise der Praxis einzubringen. Wichtig ist, dass alle getroffenen Öffnungsmaßnahmen von hoher Verlässlichkeit und Nachhaltigkeit sind. Eine Stop-and-Go-Strategie, die Schulen zu Experimentierstätten macht, ist inakzeptabel.“ 

Der VBE formuliert fünf Kernforderungen für Schulöffnungen.

1. Vorlaufzeit für Öffnungen
Der Bundesvorsitzende betont: „Wir müssen auf die Öffnungen besser vorbereitet sein als auf die Schließungen! Es braucht insbesondere Zeit, damit die Lehrkräfte sich austauschen, den Lernstand abgleichen und sich Gedanken machen können, wie der Wiedereinstieg in den Schulalltag gestaltet werden kann.“

2. Klare Regelungen und Mindeststandards für den Schulalltag definieren
Gerade für Schulleitungen sind Vorgaben essenziell, wie die Klassenräume gestaltet, der notwendige Abstand eingehalten und die Hygieneregeln eingehalten werden können. Hierzu gehören folgende Vorgaben:

  • Ausgestaltung der Sanitäranlagen, u.a. mit Seife und Papierhandtüchern.
  • Maximale Personenanzahl pro Raum unter Einbezug der tatsächlich zur Verfügung stehenden Raumgröße.
  • Regelungen für Pausengestaltung.
  • Lösungen für die Schülerbeförderung.

3. Personalkapazitäten und Arbeitszeitvorgaben beachten
Für alle Szenarien muss stets das tatsächlich zur Verfügung stehende Personal vor Ort eingerechnet werden. Hierbei muss einerseits an den bereits existierenden Personalmangel und andererseits an den weiteren Ausfall von Personal, der durch den Schutz besonders gefährdeter Lehrkräften entsteht, gedacht werden.

Die Arbeitsbelastung des Personals muss stets beachtet werden. Die geltenden Vorgaben dürfen nicht überschritten werden. Dies gilt insbesondere für Überlegungen der Teilung von Klassen und zu im Schichtmodell durchgeführtem Unterricht sowie für die Lehrkräfte, die bei einer schrittweisen Aufnahme des Unterrichts sowohl Präsenzunterricht geben als auch Schülerinnen und Schüler zuhause betreuen müssten. 

4. Definition der Risikogruppen und besonders disponierter Personen
Bei Schulöffnungen muss feststehen, ob und wenn ja wie Risikogruppen, sowohl unter dem Personal als auch bei Schülerinnen und Schülern, besonders geschützt werden müssen und können. 

Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf insbesondere in den Bereichen geistige, körperliche und motorische Entwicklung sowie mit emotionalen sozialen Entwicklungsstörungen benötigen teilweise Assistenz im Schulalltag. Dem muss mit Regelungen für die Unterrichtung und Begleitung von Kindern und Jugendlichen, die auf Nähe und Körperkontakt angewiesen sind, Rechnung getragen werden.

Für gesundheitlich gefährdete Schülerinnen und Schülern, die noch nicht beschult werden können, müssen konkrete Pläne entwickelt werden. Geregelt werden muss, wie regelmäßiger Kontakt zu Lehrkräften, Sozial- und Gesundheitsfachkräften sichergestellt werden kann.

5. Verhalten von Schülerinnen und Schülern einrechnen
Der Fokus der Öffnung von Schulen sollte anfangs nicht auf dem Erbringen bewertbarer Leistungen liegen, sondern auf der Restrukturierung des Alltags. Die besondere Situation und die langen Schulschließungen hatten und haben psychische Effekte für alle Bildungsbeteiligten. Dem Erlebten muss Raum gegeben werden können. 

Schülerinnen und Schüler egal welchen Alters werden sich zudem (ob bewusst oder unbewusst, aus Spaß oder erlernten Rollenmustern) nicht immer an die Hygieneregeln halten (können). Es ist grundlegend, dies bei allen Vorgaben einzubeziehen und keine unrealistischen Anforderungen an sie zu stellen. 

Darüber hinaus gelte, so Beckmann: „Bis zu den Öffnungen der Schulen muss der aktuelle Zustand kontinuierlich verbessert und jetzt schon offensichtliche Missstände behoben werden. Die Notbetreuung muss weitergehen und auch für Kinder in Notlagen geöffnet werden. Alle Tätigkeiten des Jugendschutzes sind als systemrelevant zu kennzeichnen und müssen entsprechend weitergeführt werden. Kinder ohne Endgeräte müssen welche erhalten. Wir müssen alles tun, um die Bildungsungerechtigkeiten nicht weiter zu verstärken und um Kinder vor Gefahrensituationen zu beschützen.“