Düsseldorf, Frühkindliche Bildung

Wachsender Personalmangel: Bildungs- und Betreuungsqualität massiv beeinträchtigt

DKLK-Studie 2020: Umfrage unter 2.795 Kita-Leitungen

„Jede vierte Kita musste im letzten Jahr in über 40 Prozent der Zeit mit zu wenig Personal arbeiten. Darunter leidet die Bildungs- und Betreuungsqualität von Kita massiv. Mehr noch setzt die Politik hierdurch sehenden Auges die Sicherheit unserer Kinder aufs Spiel, wenn Aufsichtspflichten nicht mehr erfüllt werden können. Und sie missbraucht die Gesundheit der Erzieherinnen und Erzieher, die diese Missstände seit Jahren teils über ihre Belastungsgrenzen hinaus aufzufangen versuchen“, kommentiert Udo Beckmann, Bundesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), anlässlich der heutigen Veröffentlichung der DKLK-Studie 2020 im Rahmen des Deutschen Kitaleitungskongresses in Düsseldorf. „Vor einem Jahr bewerteten wir die Ergebnisse der DKLK-Studie 2019 mit den Worten ‚Alarmstufe Rot‘. Damals musste bereits ein Sechstel der Kitas in diesem Zustand arbeiten. Dass sich die Situation trotz dieser Warnsignale aus dem Jahr 2019 binnen 12 Monaten nochmals derart verschlechtert hat, ist ein Skandal, das unzureichende Handeln der Politik ist schockierend und verantwortungslos. Dass zudem nicht einmal jede zehnte Kita durchgehend mit einer ausreichenden Personalausstattung arbeiten konnte belegt, dass wir einen flächendeckend dramatischen Zustand haben“, so Beckmann weiter. 

Die Studie zeigt, dass sich die Situation an Kitas im Vergleich zu 2019 in Teilen nochmals drastisch verschärft hat: 78,5 Prozent der Kita-Leitungen sagen, dass es im Jahr 2019 noch schwieriger geworden sei, offene Stellen zu besetzen. „Dass fast 7 von 10 Befragten die Arbeitsbelastung für die in Kita engagierten Fachkräfte als akut gesundheitsgefährdend beurteilen, ist erschreckend, vor dem Hintergrund des massiven Personalmangels aber gleichermaßen nicht verwunderlich“, so Beckmann. „Was wir beobachten, ist ein sich selbst verstärkender Teufelskreis. Der Personalmangel führt zu zusätzlichen Belastungen bei den Erzieherinnen und Erziehern. Höhere Krankenstände sind die Folge, wenn Menschen sich über ihre Belastungsgrenze hinweg aufopfern. Das erhöht wiederum die Arbeitsbelastung der verbleibenden Fachkräfte und gefährdet deren Gesundheit zusätzlich“, erläutert Beckmann. „Auf der anderen Seite brauchen Kinder für ihre Entwicklung, – gerade in den ersten drei Lebensjahren –, eine verlässlich verfügbare Bezugsperson.

Die Ergebnisse der Studie belegen aber, dass immer noch mehr als 90 Prozent der Kitas die wissenschaftlichen Empfehlungen für die sogenannte Fachkraft-Kind-Relation verfehlen“, erläutert Beckmann. „Es verwundert vor dem Hintergrund der Ergebnisse nicht, dass sich Kita-Leitungen weiterhin von der Politik im Stich gelassen fühlen. 80 Prozent beklagen eine mangelnde Wertschätzung, ein ähnlicher Wert wie in den Vorjahren.

Gerade einmal 2,9 Prozent der Kita-Leitungen fühlen sich angemessen durch Politik gewürdigt. Ein trauriges Bild, welches sich als Ergebnis einer inkonsequenten Qualitätspolitik ohne spürbare Verbesserungen Jahr für Jahr wiederholt“, betont Beckmann. „Wertschätzung drückt sich auch in einer angemessenen Bezahlung aus – oder eben nicht. Kita-Leitungen führen kleine bis mittelständische Unternehmen – und das allein! Der Lohn für diese Arbeit ist allerdings nach wie vor unangemessen, was sich auch darin zeigt, dass 60 Prozent der befragten Kita-Leitungen mit ihrem Gehalt tendenziell unzufrieden sind. Insbesondere diejenigen, die überhaupt keine Freistellung für ihre Leitungsaufgaben erhalten und insbesondere jüngere Kita-Leitungen. Wir steuern auf eine weitere Havarie zu, wenn die Unwucht zwischen Verantwortung und Bezahlung Nachwuchskräfte vermehrt unzufrieden macht oder gar abschreckt, wenn man sich vor Augen führt, dass in den kommenden Jahren ein großer Teil der Leitungspositionen in Deutschland neu zu besetzen ist“, warnt der Bundesvorsitzende des VBE.

„Es ist offenkundig, dass der gravierende Personalmangel, welcher durch die Ergebnisse der DKLK-Studie untermauert wird, nicht durch halbherzige Einzelmaßnahmen verbessert werden kann. Allein für den Bereich der Kindertagesbetreuung braucht es bis 2025 zusätzlich 310.000 Fachkräfte. Und darin ist der Mehrbedarf aufgrund des dann geltenden Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung noch gar nicht eingerechnet. Demgegenüber schließen aktuell aber nur 30.000 Erzieherinnen und Erzieher jährlich ihre Ausbildung ab.  Was wir brauchen, sind massive, nachhaltige und flächendeckende Investitionen in eine deutlich bessere Personalausstattung. Diese gilt es in eine bundesweit abgestimmte Fachkräfteoffensive einzubetten“, fordert Beckmann. 

„Ein Parameter muss dabei eine angemessene Bezahlung in Form substanzieller Lohnsteigerungen auf allen Ebenen sein. Dafür setzt sich der VBE in Tarifverhandlungen ein. Die Ausbildung im frühpädagogischen Bereich darf qualitativ nicht ausgedünnt werden, sie muss zudem grundsätzlich vergütet und der Beruf als Mangelberuf anerkannt werden. Die Ausbildungskapazitäten an Fach- und Hochschulen sind dringend auszuweiten, es braucht zudem adäquate Entwicklungsperspektiven für ausgebildete Fachkräfte, europäische Abschlüsse müssen zudem leichter anerkannt werden können.  Die Fachkraft-Kind-Relation hat sich durch eine ausreichende Finanzierung in Richtung der empfohlenen Mindeststandards zu verbessern, nicht zuletzt und gerade auch in Verantwortung gegenüber einer gesunden Entwicklung unserer Kinder. Kita-Leitungen müssen bei Verwaltungsaufgaben entlastet werden, angemessene Anrechnungsstunden für die Leitungsarbeit müssen überall Standard werden, der Aufbau von multiprofessionellen Teams muss unterstützend verfolgt und gefördert werden. Um die untragbare Personalunterdeckung und die hiermit einhergehenden unverantwortlichen Sicherheits- und Haftungsrisiken von Kita schnellstmöglich zu beseitigen, muss die Politik zudem Sofortmaßnahmen umsetzen, die zur Auflösung der Personalunterdeckung beitragen. Wenn Mittel dann einmal bereitgestellt werden, müssen diese ohne Wenn und Aber und zu 100 Prozent in die Qualität von Kitas und den Abbau des Personalmangels fließen und nicht zweckentfremdet werden, etwa durch eine Reduzierung oder Abschaffung der Elternbeiträge, wie im Fall des ‚Gute-Kita-Gesetzes‘ in vielen Fällen vorgesehen. Denn so etwas ist ein zusätzlicher Schlag ins Gesicht derer, die sich täglich mit höchstem Engagement für eine gelingende Erziehung unserer Kinder in Kitas einsetzen“, konstatiert Beckmann.

Die DKLK-Studie 2020 wurde vom Informationsdienstleister Wolters Kluwer und dem VBE Bundesverband sowie den drei VBE Landesverbänden, dem Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV), dem VBE Baden-Württemberg und dem VBE Nordrhein-Westfalen unter wissenschaftlicher Leitung von Prof. Dr. Ralf Haderlein durchgeführt. An der Umfrage, welche zum sechsten Mal erhoben wurde, haben 2.795 Kita-Leitungen teilgenommen. Der Deutsche Kitaleitungskongress ist eine gemeinsame Veranstaltung der genannten Partner und der AOK.