Fulminant zurück: Deutscher Lehrkräftetag wieder in Leipzig
Nach den Pandemiejahren merkt man das große Sehnen nach der persönlichen Begegnung noch sehr. Mit dem Deutschen Lehrkräftetag (DLT) kommt ein Klassiker zurück. Vor der Coronapandemie noch als Deutscher Lehrertag bekannt und beliebt, wurde er in diesem Jahr unter dem Motto „Lehrkräfte stärken“ endlich wieder angeboten – und 350 Teilnehmende kamen. Der Verband Bildungsmedien richtet ihn gemeinsam mit dem Verband Bildung und Erziehung (VBE) und seinen Landesverbänden, dem Sächsischen Lehrerverband im VBE (SLV), dem VBE Sachsen-Anhalt und dem thüringer lehrerverband (tlv) in Kooperation mit der Leipziger Buchmesse aus. Der DLT stand in diesem Jahr unter der Schirmherrschaft der Präsidentin der Bildungsministerkonferenz, Simone Oldenburg.
Das Konzept ist schnell erklärt: Keynote, Diskussion, Humor. Doch die Umsetzung hielt viele Erkenntnisse bereit, die noch lange nachwirken. Der Beginn des Vortrags zum Beispiel. Statt des großen Auftritts: Stille. Eine Minute Zeit zum Ankommen, eingeläutet durch das Klingen von Zimpeln. Die Atmosphäre danach spürbar anders – und das Beste, so der Referent Sven Steffes-Holländer, Facharzt für Psychosomatische Medizin & und Psychotherapie und ärztlicher Direktor einer Klinikgruppe: Stille kostet nichts und muss nicht beantragt werden.
Steffes-Holländer spannte den großen Bogen. So begann er seine Keynote „Angezündet statt ausgebrannt – Seelische Gesundheit in digitalen Zeiten“ mit der Feststellung, dass das menschliche Gehirn evolutionsbiologisch nicht auf die Menge an Informationen ausgelegt ist, die wir heute zu verarbeiten haben. Das sind im Übrigen fünf Mal so viele wie noch vor 30 Jahren. Dies bedingt digitalen Stress, der sich in verschiedenen Symptomen zeigen kann. Die Wahrnehmung von Überflutung, (zu) hoher Komplexität und Verunsicherung sind Beispiele dafür. In diesem Umfeld wird es schwieriger, die menschlichen Grundbedürfnisse nach Orientierung und Kontrolle, Selbstwerterzielung und -schutz sowie Lustgewinn zu erreichen. Essenziell dafür ist es, Kohärenz zwischen Geben und Bekommen herzustellen. Dafür ist es notwendig, einen Sinn im eigenen Tun zu erkennen, verstehbare und handhabbare Projekte zu bearbeiten und an Entscheidungen beteiligt zu werden, um Selbstwirksamkeit zu erleben. Dass das leichter gesagt als getan ist, wurde in der politischen Diskussionsrunde deutlich: Der Bildungsstaatssekretär Thüringens, Dr. Bernd Uwe Althaus, sprach mit dem Hauptreferenten und dem Vorsitzenden des Verband Bildungsmedien, Maximilian Schulyok, und dem stellvertretenden Bundesvorsitzenden des VBE, Tomi Neckov. Letzterer machte deutlich, dass es nicht nur um mehr Geld geht, sondern vor allem um mehr Zeit. Zudem verwies Neckov auf die Forderung des VBE, TALIS wieder umzusetzen.
VBE im Einsatz für bessere Lehrkräftegesundheit
Viele Lehrkräfte fallen krankheitsbedingt langfristig aus oder verlassen den Beruf frühzeitig – doch belastbare Daten fehlen. Die OECD-Studie TALIS könnte helfen, Arbeitsbedingungen zu verbessern, doch Deutschland nimmt wegen eines KMK-Beschlusses von 2005 nicht teil. Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) fordert alle Kultusministerien mit Anschreiben auf, sich für TALIS 2030 anzumelden.
Laut einer forsa-Befragung von 2023 sehen 60 Prozent der Schulleitungen einen Anstieg langfristiger Erkrankungen bei Lehrkräften. Inwieweit Arbeitsbedingungen dazu beitragen und welche Gegenmaßnahmen möglich wären, könnte mit TALIS geklärt werden. Der VBE argumentiert:
- Gesundheit systematisch erfassen, um bessere Maßnahmen abzuleiten.
- Internationale Best Practices nutzen und selbst Vorbild werden.
- Bessere Arbeitsbedingungen schaffen, um den Lehrkräftemangel zu bekämpfen.
- Lehrkräften Wertschätzung zeigen in einem oft kritisierten Bildungssystem.
- Motivation steigern, was sich positiv auf Leistungen von Schülerinnen und Schülern auswirkt.