Vom Digitalpakt bis zur Demokratiebildung

So war der DSLK 2024

Rund 3000 Teilnehmende und viele brennende Themen: Vom 7. bis 9. November 2024 richteten der Verband Bildung und Erziehung (VBE) und FLEET Education den Deutschen Schulleitungskongress (DSLK) in Düsseldorf aus. Traditionell übernahm die Kultusministerkonferenz die Schirmherrschaft. Neben Demokratiebildung lag der Fokus der Vorträge und Workshops auf Zukunftsthemen wie Digitalisierung und Nachhaltigkeit, aber auch auf Schulentwicklung und Schulkultur sowie auf der persönlichen Entwicklung zu mehr Resilienz und Achtsamkeit im Schulalltag.

So ganz können Lehrkräfte die zögerliche Art ihrer Schülerinnen und Schüler offenbar nicht abstreifen: Die Reihen des Hauptsaals füllen sich vor Beginn der Eröffnungsveranstaltung des DSLK zügig von hinten und dann erst verhalten auch vorne. Im Eröffnungsgespräch – moderiert von Lothar Guckeisen und Bärbel Schäfer – benennen der stellvertretende VBE Bundesvorsitzende Tomi Neckov und Dr. Thomas Köhl, Geschäftsführer von FLEET Events, welche Schwerpunkte der diesjährige DSLK setzen wird: Digitalisierung, Ganztag und Nachhaltigkeit. Es seien Einzelfaktoren, so Neckov, die es bei aller politischer und gesellschaftlicher Unsicherheit ermöglichen, dass Schule stabil bleibt. Aber wie gesichert sind diese Faktoren überhaupt?

Durststrecke Digitalisierung

Dass der Digitalpakt 2.0 kommen muss, trifft auf Einigkeit unter den Teilnehmenden. Digitale Lösungen sind längst Lebensrealität im Alltag, der Einzug in Schulen jedoch war lange schwerfällig. Und jetzt, wo der Wind in den Segeln war, verkommt er zum lauen Lüftchen, weil keine Übergangslösung gefunden wurde und auch die Verhandlungen sich so lange verzögerten, dass sich nun eine neue Regierung im Frühjahr 2025 damit befassen muss. Während der Pressekonferenz zur aktuellen forsa-Zufriedenheitsumfrage liefert Tomi Neckov ernüchternde Zahlen: Nach dem Ausstattungsschub in der Coronapandemie berichten weiter 10 Prozent aller Schulleitungen, dass sie nicht einen einzigen Klassensatz mobiler Endgeräte zur Verfügung haben.

„Zwei Drittel der Schulleitungen braucht weitere Mittel für Digitalisierung“, berichtet Stefan Behlau, Landesvorsitzender des VBE Nordrhein-Westfalen, für sein eigenes Bundesland. „Das ist der tatsächliche Schulalltag, der bei Bund, Ländern und Kommunen nicht beachtet wird.“ Daraus ergebe sich, neben fehlenden Lehrkräften, Herausforderungen bei Integration und Inklusion sowie stetig steigenden Aufgaben, nur noch die Verwaltung eines Mangels. Und das belastet. Es verwunderte vermutlich niemanden, dass die Hälfte der befragten Schulleitungen wenig Elan verspüren, ihren Beruf weiterzuempfehlen.

Neues Mindset für moderne Bildung

Dass Resilienz im Schulalltag daher einen nicht unwesentlichen Platz in den Vortragsthemen einnimmt, sagt schon viel über die aktuelle Lage aus. Einer, der sich sowohl mit Digitalisierung als auch Achtsamkeit auskennt, ist Jacob Chammon. Sein Heimatland Dänemark war zunächst vorgeprescht in Sachen Digitalisierung – um dann wieder etwas zurückzurudern. Denn viel hilft nicht immer viel, das mussten die Skandinavier einsehen: Maß halten ist wichtig.  In seinem Vortrag „Setzt die Schulleitungen frei. Schule dänisch denken“ betont der gebürtige Däne Vertrauen und Vergeben als zentrale Faktoren für eine positive Fehlerkultur, um neues Lernen und Lehren zu implementieren.

Mandy Frömmel-Barhdadi beweist, dass Selbstwirksamkeit und Achtsamkeit ein Erfolgsrezept sein können. Ihre „Schule am Palmengarten“ in Leipzig hat diese bewusstmachenden Prämissen im Schulkonzept verankert. In ihrem Vortrag „Achtsamkeit im schulischen Kontext“ zeigt Frömmel-Barhdadi, dass es nicht zwangsläufig Geld braucht, vielmehr ein aufmerksames Mindset. Und das beginne mit einer Vision. Im Fall der Schule am Palmengarten mit der Frage: Wie müssen Bildung und Schulkultur im 21. Jahrhundert eigentlich aussehen? Ein Ansatz, den zuvor schon Prof. Dr. Stephan Gerhard Huber beim Forum zum Startchancen-Programm betonte: „Manchmal hilft Geld auch nicht, sondern nachhaltige Programme für eine langfristige Perspektive.“

Schulpreis für engagierte BNE-Projekte

Spannend auch: Mit dem Projekt „Klasse(n) kochen“ überzeugte die Schulleiterin Frömmel-Barhdadi die Jury des DSLK-Schulpreises Bildung für nachhaltige Entwicklung. Essen vorbereiten, zubereiten und achtsam gemeinsam verspeisen sind zentrale Eckpfeiler ihres Konzeptes – das mit dem Preis belohnt wurde. Perspektiven schaffen auch die vier anderen Gewinnerschulen des DSLK-Schulpreises: Ausgewählt für ihre nachhaltigen Bildungsansätze, erhalten neben der Schule am Palmengarten die Friedrich-Rückert-Grundschule Schweinfurt, die IOGS Kretzerstraße, die Staatliche Realschule Dettelbach und die Brillat-Savarin-Schule, OSZ Gastgewerbe ein Preisgeld in Höhe von jeweils 10.000 Euro. Gestiftet wird die Summe von der SIGNAL IDUNA. Torsten Uhlig, Vorstand der SIGNAL IDUNA, sieht die Beteiligung seiner Versicherung als pragmatischen Zusammenschluss, denn das Unternehmen versichere Sachwerte, die unter Klimawandel zu Schaden kommen. Kapital in infrastrukturelle Projekte zu investieren und damit nicht nur Bildung, sondern auch eine gesunde Erde zu fördern, ist dabei logische Konsequenz. So sagt er die Auslobung des Preises im nächsten Jahr erneut zu und lässt sich durch Moderator Eckart von Hirschhausen sogar zum Plural verleiten.

Demokratiebildung braucht Flexibilität

Der Kongress fand von Donnerstag bis Samstag statt – unter dem Eindruck des Ergebnisses der US-Wahl und der gescheiterten Ampelkoalition. Wie aktuell das alles bestimmende Thema Demokratie in dieser Woche tatsächlich sein würde, hat von den Vortragenden vermutlich niemand geahnt. Hinlänglich bekannt ist der Stempel, dass Schule Spiegelbild der Gesellschaft ist. Demokratie in Zeiten von Omnikrisen wie Klimakatastrophe, Kriege und – für manche – KI nicht aus den Augen zu verlieren, ist da wohl eine der größten Herausforderungen.

Welchen Stellenwert Schule bei der Demokratiebildung hat, stellte Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands, nachdrücklich dar. Unter dem Titel „Die Demokratie kippt“ machte sie deutlich, dass jeder vermiedene Diskurs der Todesstoß für die Demokratie ist. Demokratie bedeutet eben auch, dass etwas streitbar ist. Dass man in Dialog treten muss. Und das Muss ist hier ganz klar ein Privileg. Denn einfache Antworten, so Fleischmann, seien die eigentliche Gefahr, auf der Populismus beruhe und wodurch polemisierende Parteien ihre Erfolge beziehen. „Die leichte Antwort holt die Leute ab“, konstatiert sie. „Sie ist aber in der Regel kein konkreter Plan, wie die Lösung herbeizuführen ist.“

Für ihren Denkanstoß, Unwissen einzugestehen, wenn Lehrkräfte weltpolitisch überfordert sind, erntet Fleischmann Applaus. Um die Entfremdung von der Politik auszubremsen, müssten auch die Schülerinnen und Schüler aktiv miteinbezogen werden. Es seien interessierte junge Menschen, die Druck machen. Man müsse sie nur beteiligen. Auch hier findet sich wieder das Schlagwort „Selbstwirksamkeit“. Die Starrheit der Curricula bedürfte hier einer Aushebelung.

Ein Ansatz, den auch Tim Reukauf vom tlv thüringer lehrerverband in der Paneldiskussion „Transformation durch Teamgeist. Bildungszukunft gemeinsam gestalten“ unterstreicht: „Lehrpläne müssen flexibler gestaltbar sein, um den eigentlichen Nutzen des Themas auf aktuelle Ereignisse anwenden zu können.“ Das erfordere Freiheit und Zeit, aber auch eine geänderte Lernkultur und multiprofessionelle Teams.

Mit intensiven Vorträgen und Workshops hat der DSLK in diesem Jahr die Lupe auf die akuten Themen unserer Zeit gehalten und so aufgezeigt, wie sehr einzelne Faktoren miteinandergedacht werden müssen: Die deutsche Bildungslandschaft braucht das Voranschreiten in Digitalisierung. Sie braucht konkrete Vorgaben für Ganztag. Dadurch kann Entlastung von Schulleitungen entstehen, die dann andere Kapazitäten für einen achtsamen Schulalltag haben. Das steigert die Zufriedenheit innerhalb dieses Sektors. Aber dafür braucht es auch klare Rückendeckung von der Politik. Eine Chance, die eine neue Regierung ab 2025 unbedingt wahrnehmen sollte und muss.