Lehrkräftebildung/-mangel

Seiteneinsteiger

Seiteneinstieg in den Schuldienst

veröffentlicht am 22. November 2019


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Der Fachkräftemangel ist auch im Lehrkräftebereich in vielen Bundesländern spür­bar. Dies hat unterschiedliche, teilweise länderspezifische Gründe. Vor allem aber hat es die Politik in der Vergangenheit versäumt, valide Bedarfsprognosen und Per­sonalplanungen aufzustellen und attraktive Rahmenbedingungen an allen Schulstandorten zu schaffen. Um dem aktuellen Lehrkräftemangel zu begegnen, be­helfen sich immer mehr Landesregierungen der scheinbar einfacheren, kostengünsti­geren und schnelleren Lösung, sogenannte Seiteneinsteigende ohne originäre Lehr­amtsausbildung in den Schuldienst einzustellen. Die politisch Verantwortlichen spre­chen hierbei häufig von Übergangslösungen, um die größten Härten des Personal­mangels zu überstehen.

Grundsätzlich müssen zur Lehrergewinnung die Attraktivität des Berufes erhöht, eine gleichwertige Besoldung und bessere Arbeitsbedingungen geschaffen und ebenso die Kapazitäten der Lehrerbildung an den Universitäten ausgebaut werden. Der „Not geschuldet“ wird parallel dazu aber auf Seiteneinsteigende zurückgegriffen werden müssen.

Als VBE sind wir daher in unseren Ländern, aber auch als Bundesverband gefragt, Stellung zu beziehen in der Frage des sogenannten Seiteneinstiegs. Denn diese Frage berührt nicht nur die Misere des Personalmangels, sie betrifft auch unmittelbar den Kern unserer Profession und die Frage nach qualitativen Mindeststandards, die für jede Lehrkraft in Deutschland gelten müssen.

Das vorliegende Papier ist dazu bestimmt, solche Mindestanforderungen und Stan­dards zu setzen, die unser Berufsverständnis erfordert. Es bezieht sich ausschließ­lich auf Seiteneinsteigende, die ohne eine vorherige Lehramtsausbildung in den Schuldienst aufgenommen werden. Es formuliert notwendige Eingangsvorausset­zungen und zeigt darüber hinaus einen Weg in zwei unabdingbaren Schritten auf, Seiteneinsteigenden durch Vorqualifizierung und berufsbegleitende Qualifizie­rung den Nacherwerb eines Lehramts zu ermöglichen.

Eingangsvoraussetzungen

Der Seiteneinstieg in den Schuldienst setzt grundsätzlich einen Masterabschluss eines Hochschulstudiums beziehungsweise einen äquivalenten Abschluss voraus. Aus­schließlich Absolventinnen und Absolventen von Studiengängen, die erkennbar ei­nen Schulfachbezug haben, können den Weg des Seiteneinstiegs beschreiten.

Vorqualifizierung

Der Seiteneinstieg verlangt eine Vorqualifizierung. Diese Vorqualifizierung hat eine Dauer von mindestens sechs Monaten und beinhaltet die Grundlagenvermittlung pä­dagogischer und didaktischer Grundkenntnisse sowie einen Anteil an Hospitationen im Schulalltag. Diese Maßnahme stellt eine Basis für die Seiteneinsteigenden dar, auf deren Grundlage sie sich einerseits reflektierend mit der Vermittlung ihres im Stu­dium erworbenen Fachwissens beschäftigen und sich ebenso Grundlagen über lern- und entwicklungspädagogische Theorien aneignen. Die Hospitationen dienen der Rückkopplung des erworbenen Wissens mit der Schulpraxis aus einer zunächst be­obachtenden Position. Die sechsmonatige Vorqualifizierung ist erfolgreich mit einer Zertifikatsprüfung zu beenden und zwingende Einstellungsvoraussetzung für die da­rauf aufbauende berufsbegleitende Qualifikationsmaßnahme.

Berufsbegleitende Qualifizierung

Die berufsbegleitende Qualifizierung hat eine Mindestdauer von zwei Jahren und schließt mit der Anerkennung eines Lehramts ab. Um die notwendige Ausbildungs­zeit zu ermöglichen, muss mindestens ein Drittel des Unterrichtsdeputats einer vollen Stelle für die Ausbildung vorgehalten werden. Den ausbildenden Schulen muss ein angemessenes und ausreichendes Zeitbudget für die Ausbildung der Seiteneinstei­genden zur Verfügung gestellt werden. Die Ausbildung verläuft inhaltlich analog zu der zweiten Ausbildungsphase der Lehrerausbildung. Ebenso ist am Ende eine Prü­fung analog zur geltenden Prüfungsordnung des Vorbereitungsdienstes abzuleisten. Bei erfolgreicher Prüfung wird ein vollständiges Lehramt erworben und die Gleichstel­lung zu den originär ausgebildeten Lehrkräften gewährleistet.

Weiterqualifizierungsmöglichkeiten

Für bereits im Dienst befindliche Seiteneinsteigende müssen die Länder umfassende Angebote zur berufsbegleitenden Weiterqualifizierung als Lehrkraft vorhalten. Seiten­einsteigende müssen in die Lage versetzt werden, über entsprechende Qualifizierungs- und Prüfungsverfahren langfristig den Lehramtsstatus erlangen zu können.

Es bleibt die Pflicht der Länder als Arbeitgeber, eine nachhaltige Personalentwick­lung zu betreiben. Eine kurzsichtige Einstellungspolitik darf nicht auf dem Rücken der Kolleginnen und Kollegen in den Schulen und auf dem Rücken der Schülerinnen und Schüler ausgetragen werden.