Lehrkräftebildung/-mangel

Studie im Auftrag des VBE legt Schönfärberei der Politik offen

Künftiger Lehrkräftemangel um ein Vielfaches höher als behauptet

Es waren außergewöhnlich viele Journalistinnen und Journalisten anwesend, an diesem Morgen des 25. Januar 2022, praktisch alle deutschen Leitmedien aus dem Printbereich waren vertreten. Und sie blieben außergewöhnlich lange, über eine Stunde. Anlass war die digitale Pressekonferenz, zu der der Verband Bildung und Erziehung (VBE) geladen hatte beziehungsweise das, was der renommierte Bildungsforscher Prof. Dr. Klemm und der Bundesvorsitzende des VBE, Udo Beckmann, hier zu berichten hatten. Denn das waren dramatische Erkenntnisse.

Der VBE hatte Prof. Dr. Klemm damit beauftragt zu berechnen, wie sich Lehrkräftebedarf und tatsächliches -angebot in Deutschland bis 2030 entwickeln werden.Denn, das machte der Bundesvorsitzende in seinem Eingangsstatement unmissverständlich klar: „Die größten Herausforderungen, mit denen Schule aktuell konfrontiert ist und künftig konfrontiert sein wird, – Coronapandemie, Integration, Inklusion, Digitalisierung, Ganztagsbeschulung, – werden ohne Bereitstellung der zusätzlich erforderlichen personellen Ressourcen nicht zu lösen sein.“ Und auch dazu, wieso der VBE diese Untersuchung überhaupt in Auftrag gegeben hatte, wurde Beckmann deutlich: „Weil wir seit langemerhebliche Zweifel daran haben, dass diese Berechnungen der Kultusministerkonferenz, die einen eher moderaten Lehrkräftemangel bis 2030 ausweisen, der Realität entsprechen!Ihr Zustandekommen ist in Teilen weder transparent noch nachvollziehbar, elementare Einflussfaktoren zur Berechnung von tatsächlichem Bedarf und Angebot fehlen unserer Einschätzung nach.“ Diese Befürchtung sollte sich (leider) bewahrheiten.

„Die von Prof. Klemm dargestellten Ergebnisse zeigen auf erdrückende Art und Weise: Die von der KMK veröffentlichten Zahlen sind unseriös und verschleiern den tatsächlichen Lehrkräftemangel. Die Situationist viel dramatischer als von der KMK kommuniziert!“, so Beckmann. Konkret heißt das: 2030 fehlen bei konservativer, sehr optimistischer Berechnung 81.000 Lehrkräfte. Basierend auf der Annahme, dass man den Status Quo an Schule einfach fortschreibt und keinerlei Verbesserungen der Rahmenbedingungen wie der Verkleinerung von Lerngruppen oder der Absenkung der Unterrichtsverpflichtungen der Lehrkräfte zugrunde gelegt werden. Bereits das sind fast 500 Prozent mehr als die von der KMK ausgewiesenen 13.380 Lehrkräfte, die 2030 angeblich lediglich fehlen. Noch eklatanter erscheint die Fehlberechnung der KMK, „wenn man sich vor Augen führt: In der Zahl 81.000 ist noch keine einzige zusätzliche Lehrkraft mitberechnet, die es für eine Umsetzung bereits beschlossener schulpolitischer Reformmaßnahmen braucht! Der zusätzliche Bedarf an Lehrkräften, den die KMK hierfür explizit ausweist: Null!“ so Beckmann. Addiert man die von Prof. Dr. Klemm berechneten zusätzlich erforderlichen Lehrkräfte zur Umsetzung von Inklusion, der Unterstützung von Kindern in herausfordernden sozialen Lagen und für den Ganztagsausbau, – nach seiner Berechnung sind das insgesamt 74.400 –, ergibt sich ein Lehrkräftemangel für 2030 von mehr als 150.000 Personen. „Das, was die KMK vorlegt, ist nichts anderes als eine riesige Mogelpackung“, kommentiert Beckmann. Er fordert: „Es gibt keine zwei Lesarten der jetzt vorliegenden Ergebnisse. Die Politik muss hieraus umgehend und vollumfänglich alle dringend notwendigen Konsequenzen ableiten und endlich aufhören, sich den tatsächlichen Lehrkräftebedarf schönzurechnen. Sie kann sich nicht mehr aus der Verantwortung stehlen und sagen, sie hätte es nicht besser gewusst. Wenn wir, wie es im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien proklamiert ist, noch ein Jahrzehnt der Bildungschancen und kein Jahrzehnt der Bildungsverliererinnen und -verlierer erleben wollen, müssen unsere Forderungen von der Politik jetzt konsequent und integriert umgesetzt werden“.

Welche Maßnahmen der VBE konkret fordert, unter anderem eine bundesweite Fachkräfteoffensive, eine quantitative Ausweitung der Studienkapazitäten bei gleichzeitig qualitativer Verbesserung der Studienbedingungen, eine Steigerung der Attraktivität des Berufsbildes insgesamt bei gleicher Bezahlung für alle Schulformen, die Integration von multiprofessionellen Teams an Schulen und die substanzielle Vorqualifizierung von Seiteneinsteigenden, können Sie in der Pressemitteilung des VBE lesen. Die Pressemitteilung sowie die Expertise von Prof. Klemm und alle Einzelberechnungen finden Sie hier.