Öffnung mit Hindernissen: Schulöffnungen führen zu Mehrbelastung, viele Lehrkräfte fühlen sich nicht sicher

Eines der Kernergebnisse der aktuellen forsa-Umfrage im Auftrag des VBE: Jede dritte Lehrkraft fühlt sich nicht ausreichend geschützt, gerade weil Abstände nicht eingehalten werden können und kaum oder keine Reinigungsmittel und dafür notwendige Handschuhe und Desinfektionsmittel zur Verfügung gestellt werden. Zudem nutzt die Politik nicht die Möglichkeit, die in zum Beispiel Supermärkten und Arztpraxen eingesetzt wird. So kann das Aufstellen von Plexiglasscheiben dabei unterstützen, den Kontakt zwischen Lehrkraft und Schülerin oder Schüler bei dem Korrigieren von Aufgaben sicherzustellen, ohne ein erhöhtes Infektionsrisiko durch Tröpfchen eingehen zu müssen. Allerdings berichten 78 Prozent der Lehrkräfte, dass es das nicht gibt.

Diese Erkenntnisse wurden im Rahmen einer repräsentativen Umfrage gewonnen, die im Mai 2020 unter 1.006 Lehrkräften allgemeinbildender Schulen durchgeführt wurde. Allgemein zeigen die Zahlen, dass die Lehrkräfte momentan noch mehr Aufgaben schultern müssen. Demnach geben 60 Prozent der Lehrkräfte an, dass sie momentan im Vergleich zum regulären Schulbetrieb eine höhere Belastung haben, weitere 20 Prozent eine ähnliche. Insbesondere die Parallelität von Präsenzunterricht, der Aufgabenerstellung für das selbstständige Lernen zu Hause und der Begleitung dieser Schülerinnen und Schüler sowie dem Einsatz in der Notbetreuung ist eine Herausforderung. Nach weiteren Ursachen für den Mehraufwand gefragt, sagt die Hälfte, dass es einen höheren Organisationsaufwand gibt, zum Beispiel um Aufgaben zu versenden, und dass der Bedarf an Kommunikation zu unterschiedlichen Zeiten wächst. „Wir sehen eine deutliche Ausweitung der Zeiten, zu denen Lehrkräfte arbeiten. Eltern und Schülerinnen und Schüler lernen zu Hause,  wie es am besten in die dortigen Strukturen passt. Das ist auch vollkommen in Ordnung – nur entsteht so zu unterschiedlichsten Zeiten der Bedarf an Unterstützung durch die Lehrkraft. Das führt zu einer Streckung der Arbeitszeit. Die Kultusministerien sind aufgefordert, hier sehr genau hinzusehen, dass der Arbeitsschutz der Beschäftigten gesichert wird“, erklärt der VBE Bundesvorsitzende, Udo Beckmann.

Und auch sonst sind die Ministerien gefordert. Die von den befragten Lehrkräften priorisierten Entlastungsmöglichkeiten sprechen eine deutliche Sprache: Je die Hälfte der Befragten sagt, dass es sie entlasten würde, nicht gleichzeitig für Lerngruppen in der Schule und zu Hause zuständig zu sein und wenn organisatorische Aufgaben reduziert würden. Ungefähr ein Drittel der Lehrkräfte setzt für eine Entlastung auf curriculare Veränderungen, wie Lerninhalte zu reduzieren oder sich auf die Kernfächer zu konzentrieren. Das passt auch gut zusammen mit der Erkenntnis, dass 82 Prozent der befragten Lehrkräfte sagen, dass es in der Schulöffnungsphase die größte Herausforderung sei, Lernunterschiede auszugleichen. Beckmann kommentiert: „Die entstandenen Lernunterschiede sind unterschiedlich groß und unterschiedlich schnell zu schließen. Das Ausgleichen funktioniert am besten durch individuelle Förderung. Diese baut auf zwei Säulen: So viele Lehrkräfte, wie nötig, in der Lerngruppe zu haben, und die Unterstützung durch multiprofessionelle Teams. Es ist Aufgabe der Politik, dies schnellstmöglich sicherzustellen.“

Wichtig sei auch eine angemessene Informationspolitik. So kann ein Viertel der Lehrkräfte nicht sagen, ob sich eine Person, die Erkältungssymptome zeigt, an der Schule aufhalten dürfe – weil es nicht eindeutig geregelt ist oder sie es nicht wissen. Zudem konnte über die Hälfte der Befragten keine Angaben zu den Quarantäneregelungen machen. Hier sei ein Informationsdefizit entstanden, welches die Kultusministerien zu verantworten haben, kritisiert Beckmann und fordert: „Es braucht einfache und klare Regelungen, die nachvollziehbar und eingängig sind. Zudem müssen die Gesundheitsministerien auch weitere Maßnahmen ergreifen, um den Gesundheitsschutz wieder glaubwürdig zu priorisieren. Dazu könnte auch das Angebot freiwilliger Testungen auf das Corona-Virus zählen. Zwar bieten diese keine Sicherheit, nicht zu einem späteren Zeitpunkt zu erkranken, erhöhen aber das subjektive Sicherheitsgefühl und könnten auch im Rahmen der Strategie zur Ausweitung der Testaktivitäten ihren Platz haben. 74 Prozent der Lehrkräfte befürworten freiwillige Tests.“