Zuhören, Zeit nehmen, Perspektiven wechseln

Ahmad Mansour eröffnet den Fachtag des VBE Bundesvorstandes Mitte März 2021 mit einer These, die einem kaum mehr aus dem Kopf geht: Radikale Islamisten sind die besseren Sozialarbeiter. Sie können sich nämlich die Zeit nehmen, auf die Probleme ihrer Schützlinge einzugehen und in das Pflänzchen des Vertrauens langsam vergifteten Dünger gießen. Er plädierte daher dafür, dass es an Schule dringend besser gelingen muss, Bindung herzustellen, auf die Biografie der Schülerinnen und Schüler einzugehen und diese wertzuschätzen. Zudem braucht es einen viel stärker auf das aktuelle politische Weltgeschehen ausgerichteten Diskurs im Klassenzimmer. Mansour sprach sich außerdem dafür aus, den Religionsunterricht gegen das Hamburger Modell eines interreligiösen Dialogs zu ersetzen.

Dagegen jedoch hielt Lamya Kaddor, selbst Lehrerin für Islamischen Religionsunterricht, eine flammende Rede auf den konfessionellen Unterricht. Argumente, die man in dieser Form noch gar nicht beachtet hatte, kamen hier zum Vorschein. Sehr interessant vor allem ihre Feststellung, dass das Sprechen über Religion in den Familien oft nicht in Deutsch, sondern der Herkunftssprache der Eltern oder Großeltern erfolgt. Der Religionsunterricht in der Schule auf Deutsch bietet ihnen die Möglichkeit, Worte zu erlernen, um überhaupt diskursfähig zu werden. Damit stärkt der Islamische Religionsunterricht eine deutsch-islamische Identität und trägt zu einer inklusiven Schule in der Einwanderungsgesellschaft bei. Kaddor zeigte sich aber dafür offen, den Religionsunterricht ab einem Alter von 12 oder 14 Jahren für alle Weltanschauungen zu öffnen.

Ein interessanter Aspekt war auch, dass Kaddor betonte, dass viel zu oft in sehr eingeschränkter Sicht von Menschen gesprochen werde. Sie selbst sei nicht „die Muslimin“, das verkürzt ihre Persönlichkeit in all den Facetten, die es sonst noch gibt. Dieses Thema griff Jule Wagner vom Zentrum für Europäische und Orientalische Kultur aus Leipzig auf. Denn oft werde so aus jemandem, der aus einem arabischen Staat kommt, automatisch eine muslimische Person. Es werden dann auch alle Vorurteile nicht nur auf die Herkunft, sondern auch die Religion übertragen. Sie nennt das die „Religionisierung der Integrationsdebatte“. Schützen könne man sich durch regelmäßige Reflexionen – entweder alleine, im Kollegium oder auf externen Fort- und Weiterbildungen, die durch externe Expertise begleitet werden sollten.

Nach dem Themenkomplex „Religiös begründeter Extremismus“ widmete sich der eingeladene Personenkreis (Bundesvorstand des VBE und ausgewählte Mitglieder der Landesvorstände) weiteren Extremismusformen an Schule, nämlich Rechtsextremismus und Antisemitismus. Die Berichte von Aussteigern und Betroffenen rührten noch lange in einem nach. Der Bundesvorstand ist deshalb übereingekommen, eine ähnliche Veranstaltung nochmals für einen größeren Kreis anzubieten, ggf. in Verbindung mit der Bundesversammlung im Dezember. Gerne halten wir Sie auf dem Laufenden!