Berufszufriedenheit von Schulleitungen und Gewalt gegen Lehrkräfte
Seit 2018 beauftragt der Verband Bildung und Erziehung (VBE) einmal im Jahr das Meinungsforschungsinstitut forsa damit, Schulleitungen zu ihrer Berufszufriedenheit zu befragen. Die Ergebnisse der repräsentativen Umfrage werden im Rahmen des DSLK vorgestellt. Bei den größten Problemen an Schule, etwa dem Lehrkräftemangel (69 Prozent) und der daraus resultierenden Arbeitsbelastung und Zeitmangel (34 Prozent), ist in den letzten Jahren eine kontinuierliche Zuspitzung zu beobachten. Diese Tendenz zeichnet sich ebenfalls bei den größten Belastungsfaktoren von Schulleitungen ab. Ein stetig wachsendes Aufgabenspektrum, steigender Verwaltungsaufwand, zu wenig Zeit, die Überlastung des Kollegiums, der Lehrkräftemangel und der Umstand, dass die Politik die Realität im Schulalltag nicht ausreichend beachtet, werden allesamt von mehr als 90 Prozent der Schulleitungen als starker oder sehr starker Belastungsfaktor benannt.
Die Folge: Die Anzahl der Schulleitungen, die ihre beruflichen Aufgaben nur gelegentlich oder nie zur eigenen Zufriedenheit erfüllen können, hat sich innerhalb der letzten vier Jahre auf fast 40 Prozent der Befragten mehr als verdoppelt. Ebenso üben Schulleitungen ihren Job immer weniger gerne aus. Hat 2019 noch ein überwältigender Anteil von 96 Prozent eher oder sehr gern eine Schule geleitet, sind es heute nur noch 79 Prozent. Die Anzahl derjenigen, die ihren Job eher oder sehr ungern ausüben hat sich im selben Zeitraum hingegen verfünffacht.
Teile der diesjährigen Befragung widmeten sich dem Thema „Gewalt gegen Lehrkräfte“. Die Ergebnisse der Studie offenbaren, dass sich die Zahl der Schulen, an denen es in den letzten fünf Jahren Gewalt gegen das pädagogische Personal gab, verglichen mit den Daten der Untersuchungen aus vergangenen Jahren, auf einem besorgniserregenden Niveau eingepegelt hat. So meldeten fast zwei Drittel der befragten Schulleitungen zurück, dass es innerhalb der letzten fünf Jahre Fälle psychischer Gewalt, beispielsweise in Form von Beleidigungen, Bedrohungen oder Belästigungen an ihrer Schule gegeben hat. Gut ein Drittel der Schulleitungen weiß, dass Lehrkräfte Opfer von Cybermobbing wurden. Besonders erschreckend: In einem weiteren Drittel der Schulen kam es in den letzten fünf Jahren zu gewalttätigen körperlichen Angriffen auf Lehrkräfte oder Schulleitungen. Insgesamt registrierte fast die Hälfte der befragten Schulleitungen eine Zunahme von Gewalt seit Beginn der Coronapandemie.
Für Udo Beckmann, Bundesvorsitzender des VBE, ist dieser Befund ein Skandal: „Rechnet man die Prozentangaben auf die Grundgesamtheit der allgemeinbildenden Schulen hoch, bedeutet das, dass es in den letzten fünf Jahren an fast 20.000 Schulen zu psychischer und an jeweils gut 10.000 Schulen zu Cybermobbing oder körperlicher Gewalt kam. Dieser Zustand ist unhaltbar. Der Schutz der Lehrkräfte muss dringend auf die politische Agenda.“
Hinzu kommt, dass Schulleitungen betroffenen Lehrkräften oft nur unzureichend helfen können. Oft seien die Schüler:innen oder deren Eltern nicht kooperationswillig oder die alltägliche Aufgabenfülle verhindere eine effektive Unterstützung. Den Umstand, dass jeweils ca. ein Drittel der Schulleitungen angab, dass das Schulministerium oder die Schulverwaltung sich des Themas nicht ausreichend annehmen würden und 19 Prozent zurückmeldeten, dass die Meldung von Vorfällen von den Schulbehörden nicht gewünscht sei, kommentiert Beckmann wie folgt: „Wenn Gewaltvorfälle vom Dienstherrn ignoriert werden oder die Meldung von den Schulbehörden nicht gewünscht ist, ist das schlichtweg ein Skandal. Es gehört zur Fürsorgepflicht des Dienstherrn, dass er seine Beschäftigten schützt und derartigen Meldungen nachgeht. Das Mindeste, was Lehrkräfte an dieser Stelle erwarten können, ist, dass sie ihrer Arbeit unbehelligt nachgehen und unversehrt wieder nach Hause gehen können. Wenn Vorgesetzte sich der Gewalt gegen Lehrkräfte nicht ausreichend annehmen, ist das in meinen Augen schlichtweg ein Dienstvergehen.“