Gesundheit & Zufriedenheit

Lüften ist kein Allheilmittel!

VBE Bundesvorsitzender Beckmann bezieht in KMK-Expertengespräch Stellung

lüf|ten, schwaches Verb, ich lüfte, wir lüften, ihr lüftet. Umgangssprachlich für: Die Lösung für die Unmöglichkeit, in zu kleinen Räumen mit einer voll besetzten Klasse durch den Corona-Herbst zu kommen. Oder auch: Das Eingeständnis der Kultusministerien, keine anderen Ideen für Infektionsschutzmaßnahmen zu haben, außer die Fenster auch bei Regen und niedrigen Temperaturen über mehrere Minuten zu öffnen, um wenigstens etwas besser geschützt zu sein.

Diese Definition drängt sich auf, wenn man die Gespräche hierzu mitverfolgt. Nachdem der Bundesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), Udo Beckmann, gemeinsam mit dem Vorsitzenden
des Bundeselternrates, Stephan Wassmuth, und der Vorsitzenden der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Marlis Tepe, nochmals an die Kultusministerkonferenz (KMK) geschrieben hatte,
wurden diese drei erneut zum Fachgespräch eingeladen. Außerdem in der Videokonferenz anwesend waren neben den Kultusministerinnen und -ministern Wissenschaftler aus unterschiedlichen Bereichen von
Virologie über Hygiene bis Lüftungstechnik.

Fokus war es, Erkenntnisse dazu zu erlangen, inwieweit das Lüften zu einer Reduzierung des Infektionsrisikos durch Aerosole beitragen kann. Dieser Effekt sei vor allem gegeben, wenn es gelingt, in regelmäßigen Abständen (alle 20 Minuten) durch 3 bis 5-minütiges Querlüften einen möglichst vollständigen Luftaustausch in den Räumlichkeiten zu bewerkstelligen. Hierzu wurde kurzfristig unter Beratung der anwesenden Wissenschaftler eine Broschüre vom Umweltbundesamt als Handreichung für die Lehrkräfte erarbeitet. Der Bundesvorsitzende des VBE kommentiert dazu: „Wenn der einzige Infektionsschutz neben dem Bilden von Kohorten und dem Einhalten von Hygieneregeln eine Broschüre zum Lüften ist, wirkt das schnell wie Hohn. Hinzu kommt: Das Lüften, ob nun manuell oder technisch unterstützt, unterbindet zwar die Übertragung über Aerosole, aber nicht die Tröpfcheninfektion. Hierfür gilt es, weitere Maßnahmen umzusetzen, das heißt insbesondere den Abstand von 1,5 Metern einzuhalten durch kleinere Lerngruppen. Leider ist dies auch aufgrund der Versäumnisse der Politik im letzten Jahrzehnt, nämlich die unzureichende Personalausstattung und das Versagen notwendiger Investitionen im Schulbau, nicht ohne Kürzungen des Bildungsangebots und zusätzlicher Belastungen der Familien möglich.

Weitere Frage war, ob der Einsatz von Luftfiltern das Infektionsrisiko bedeutend senken kann. Hierzu gab es deutlich auseinandergehende Meinungen. Grundkonsens war, dass „in Klassenräumen, in denen eine Lüftung über Fenster nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich ist, der Einsatz mobiler Geräte flankierend und in Einzelfällen sinnvoll sein könne“, so die KMK in einer Pressemitteilung. Dabei gelte: „Zum Einsatz kommen sollten dabei allerdings ausschließlich qualitätsgeprüfte Geräte, die mit Hochleistungsschwebstofffiltern (HEPA-Filter H13 oder H14) ausgerüstet sind, die leise arbeiteten und die einen ausreichenden Volumenstrom, gemessen an der Raumgröße garantierten.“ Die beiden Vorsitzenden der Lehrergewerkschaften, Tepe und Beckmann, brachten in die Expertenanhörung den pädagogischen Blick ein. So sei es eine Herausforderung, gerade bei widrigen Witterungsbedingungen alle 20 Minuten den Unterricht zu unterbrechen. Außerdem fehle der Blick für die Belange der Schülerinnen und Schüler. Während einige von ihnen freitags auf die Straße gingen, um für mehr Klimaschutz zu demonstrieren, „heizen wir jetzt für draußen gleich mit“, so Beckmann. Das sei nur schwer zu vermitteln.

Im Nachgang zum Expertengespräch haben die drei Organisationen zusammen mit dem Deutschen Städte- und Gemeindebund und dem Deutschen Städtetag weitergehende Forderungen aufgestellt, zu denen insbesondere gehört, dass die Betroffenen über ihre Vertretungen an Entscheidungsprozessen partizipieren können müssen, die Wirksamkeit von Maßnahmen (und das Restrisiko) öffentlich transparent zu machen ist, Hinweise, wie das Unterrichten in 20-Minuten-Sequenzen möglich ist und die weitere Verfolgung des Ansatzes, kleinere Lerngruppen zu bilden. Der VBE Bundesverband wird sich auch weiter konstruktiv in die Debatte einbringen.