Halbzeitbilanz des Bundesvorsitzenden
Das Spiel steht auf der Kippe
„Ein Spiel hat 90 Minuten“, so beruhigt sich der Fan im Angesicht der drohenden Niederlage. Es besteht noch Chance auf Hoffnung. Hoffnung darauf, den entscheidenden Lucky Punch zu setzen und das Ruder doch noch rumzureißen. Was es dafür braucht: Willen, Kampfkraft und Entschlossenheit. Ähnliches fordert auch Gerhard Brand, Bundesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), als er anlässlich der Halbzeit der Koalition aus SPD, Grünen und FDP einen kritischen Blick auf die bildungspolitischen Ergebnisse der ‚Ampel‘ wirft und Bilanz zieht:
„Wir sehen, dass die ‚Ampel‘ sich in Punkto Bildung viel vorgenommen hatte. Das ist gut und notwendig, wenn wir auf die immensen Herausforderungen blicken, die Schulleitungen und Lehrkräfte tagtäglich bewältigen müssen. Es zeigt außerdem, wie sinnvoll es ist, Gewerkschaften und Verbände im Vorfeld in den Arbeitsprozess einzubeziehen. Allerdings zählt nicht der fromme Wunsch. Es zählt, was wirklich in den Schulen ankommt.“ So würdigt Brand zwar das Corona-Aufholprogramm und dass das Startchancen-Programm endlich konkret in Angriff genommen wird, betont aber gleichzeitig: „Das Startchancen-Programm kann in seiner jetzigen Form nur der Aufschlag einer längerfristigen Förderstrategie sein. Andersfalls werden die zu erwartenden finanziellen Mittel keinesfalls ausreichen.“
In vielen anderen Punkten sei das bislang Erreichte jedoch deutlich kritischer zu bewerten. Viele der angekündigten Schritte, beispielsweise die Erhöhung öffentlicher Ausgaben für den Bildungssektor, die dauerhafte Unterstützung des Bundes bei der Digitalisierung des Bildungswesens oder die Etablierung einer neuen Kultur in der Bildungszusammenarbeit seien bislang komplett ausgeblieben.
„Während Corona wurde sichtbar, was mit einer Kultur des Miteinanders in Bildungsfragen alles möglich ist und wie schnelle und unbürokratische Prozesse auch kurzfristig wirken können. Mittlerweile sind leider die gewohnten Grabenkämpfe zurückgekehrt. Mehr noch: Mit dem unwürdigen offenen Schlagabtausch zwischen Kultusministerkonferenz und dem Bundesbildungsministerium hat das Gegeneinander in Bildungsfragen einen neuen Tiefpunkt erreicht.“
Noch finsterer sieht es bei der frühkindlichen Bildung aus. Die versprochenen Verbesserungen in der Betreuungsrelation, die Weiterentwicklung des Sprach-Kita-Programms oder attraktivere Arbeitsbedingungen durch Qualitätsstandards sind bislang nicht in Sicht. Hierzu Brand:
„Wir sehen kaum Veränderungen, was die Situation in Kitas angeht. Im Gegenteil: Mit der Einstellung des Sprach-Kita-Programms ist eine zentrale und gut funktionierende Säule der Integration bewusst zerschlagen worden. Zudem sehen wir kaum Bewegungen, was die Gewinnung neuer Kolleginnen und Kollegen angeht. Es hat zwar Schritte in die richtige Richtung gegeben, beispielsweise bei der praxisintegrierten Ausbildung oder der Ausbildungsvergütung, aber diese Maßnahmen kommen sehr langsam in den Einrichtungen an und reichen schlichtweg nicht aus, um dem Mangel zu begegnen.“
Brand resümiert:
„Wir sehen Initiativen, die in die richtige Richtung weisen und auch wenn Ansätze sichtbar sind, die hochgesteckten Ziele der Koalition auch umzusetzen, müssen die bildungspolitischen Reformen und Programme dringend Priorität bekommen. Andernfalls ist das Spiel schon zu Ende, bevor es richtig an Fahrt aufnehmen konnte. Und eine weitere Niederlage kann sich unsere Bildungslandschaft angesichts der aktuellen Situation nicht leisten.“