Corona-Unmut bedroht Schulfrieden
forsa-Umfrage im Auftrag des VBE zeigt Gewaltvorfälle an jeder vierten Schule
Plakate am Schultor, E-Mail-Aktionen an alle Lehrkräfte einer Schule und immer wieder Drohungen, wegen Kindeswohlgefährdung, Körperverletzung oder ähnlichem angezeigt zu werden. Lehrkräfte und Schulleitungen geraten häufig in Situationen, in denen sie für die Umsetzung von Infektionsschutzmaßnahmen angegriffen werden. Das hat eine repräsentative forsa-Umfrage im Auftrag des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) gezeigt. Dafür wurden im April und Mai 1.501 Lehrkräfte allgemeinbildender Schulen in Deutschland befragt. Neben der bundesweiten Auswertung gab es Stichproben für Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz.
Kernergebnis: Jeweils ein Viertel der Befragten berichtet, dass sie von direkten psychischen Angriffen oder Angriffen über das Internet im Zusammenhang mit der Umsetzung von Corona-Schutzmaßnahmen gegen Lehrkräfte oder Schulleitungen an ihrer Schule wissen.
Gefragt danach, von wem diese Angriffe ausgingen, nannten 84 Prozent der Befragten „Eltern“. Jede vierte Lehrkraft weiß von direkten psychischen Angriffen durch Schülerinnen und Schüler. Hinzu kommt, dass jede fünfte Lehrkraft davon berichtet, dass direkte psychische Angriffe von anderen Erwachsenen ausgehen, die zum Beispiel in Organisationen engagiert sind, die sich gegen Corona-Schutzmaßnahmen einsetzen. Bei den Angriffen über das Internet gibt das sogar jede vierte Lehrkraft an. Der VBE Bundesvorsitzende, Udo Beckmann, stellte heraus: „Lehrkräfte werden zur Zielscheibe von Personen, die sich hinter dem Schutzschild der Meinungsfreiheit verstecken und eben keine konstruktive Debatte führen, sondern in ihrem Gebaren den Boden des konstruktiven Gesprächs längst verlassen haben. Wenn sich Lehrkräfte mit Mauerschützen (!) vergleichen lassen müssen, ist keine Diskussion mehr möglich. Hier muss die Politik die Verantwortung übernehmen: Wie schützen Schulaufsicht und Kultusministerium die an Schule Beschäftigten?“
Neben dem Themenkomplex zu Gewalt gegen Lehrkräfte wurden die Teilnehmenden auch danach befragt, was momentan ihre größten Probleme sind. Kaum verwunderlich: Nahezu alle Aussagen haben einen Pandemiebezug. Probleme machen insbesondere die fehlende Planbarkeit, die parallele Umsetzung verschiedener Unterrichtsformen und die Schulschließungen sowie die damit einhergehenden Herausforderungen, Homelearning zu organisieren – und oft selbst auch Kinder daheim betreuen zu müssen. Zudem beschäftigen die Lehrkräfte natürlich die Auswirkungen, welche die Krise und der Distanzunterricht auf ihre Schützlinge hat. Sie sehen die geringe Motivation der Schülerinnen und Schüler, die Lernrückstande aufgrund von Unterrichtsausfall und die wachsenden Leistungsunterschiede
als problematisch an. Und auch die emotionalen Auswirkungen bereiten ihnen Sorgen: Der fehlende Kontakt zwischen Lehrenden und Lernenden, aber auch unter den Schülerinnen und Schüler sowie der Austausch zwischen den Lehrkräften kommt momentan deutlich zu kurz und das hinterlässt Spuren.
Das zeigt: Es ist eine angespannte Gesamtsituation, geprägt von den Folgen der Corona-Krise und schwankend zwischen dem Willen, wieder in den Präsenzunterricht zurückzukehren, und der herausfordernden Aufgabe, die Infektionsschutzmaßnahmen umzusetzen. „Und genau in diesem Spannungsfeld erdreisten sich Menschen von außerhalb, die einfach ihrem Corona-Unmut Luft machen wollen, an die Beschäftigten der Schulen heranzutreten, sie zu bedrohen und zu beleidigen. Wenn die Politik nicht möchte, dass Lehrkräfte und Schulleitungen noch mehr ihre Motivation verlieren, muss jetzt gehandelt werden. Insbesondere die Kultusministerien sind in der Verantwortung, die Beschäftigten an Schulen zu schützen – sei es durch besseres Informationsmaterial, Ansprechpersonen in den Kultusministerien oder schlicht transparente Regelungen, die einleuchten und zu weniger Unmut führen. Vor allem aber dadurch, dass sie sich in Konfliktfällen voll hinter die Bedrohten stellen“, fordert Udo Beckmann.
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