PISA-Schock hat geholfen – aber kein Grund zur Zufriedenheit
VBE zu den Ergebnissen von PISA 2009
„Die Lehrerinnen und Lehrer setzen sich mit großem Engagement für die individuelle Förderung ihrer Schülerinnen und Schüler ein. Dass sich dadurch vor allem die Lesekompetenzen der Kinder mit schwierigeren Startbedingungen verbesserten, ist ein Grund zur Freude“, betont VBE-Bundesvorsitzender Udo Beckmann unter Hinweis auf die Ergebnisse von PISA 2009. „Das ist aber auch Ansporn für uns Lehrerinnen und Lehrer, hartnäckig für eine größere gesellschaftliche Anerkennung des Lehrerberufs und für bessere Bedingungen in Kindergarten und Schule zu streiten.“
„Nach wie vor hängt die Kompetenz der 15-Jährigen in Deutschland auffällig von ihrer sozialen Herkunft ab“, stellt VBE-Bundesvorsitzender Udo Beckmann fest. „Die Lösung dieser Frage, muss ganz oben auf der Tagesordnung bleiben. Trotz erfreulicher Verbesserungen offenbart auch PISA 2009 noch das alte Leiden des deutschen Bildungssystems: Durchlässigkeit nach unten ist die Regel, Aufstieg die Ausnahme.“ Der erfreuliche Unterschied zu PISA 2000 sei es allerdings, dass inzwischen die gesellschaftliche Akzeptanz für das ‚Abschulen‘ fehle, so Beckmann. Statt Schülerinnen und Schüler nach überkommenen Begabungskriterien aufzuteilen, werde in immer mehr Bundesländern der Übergang in eine zweigliedrige Sekundarstufe organisiert. Das wäre ohne den PISA-Schock nicht gelungen.
„Der VBE bedauert“, sagt Beckmann, „dass es für die Länder keine PISA-Ergänzungsstudie mehr gibt und damit Rückschlüsse im internationalen Kontext auf die Situation in den Ländern fehlen.“ Beckmann erinnert an die Ländervergleichsstudie Sprachkompetenzen vom Juni 2010. Es habe sich gezeigt, so Beckmann, dass die Länder sich tendenziell ihren Schulbereich schönrechneten, denn in dieser Studie sei gerade die Risikogruppe der Schüler ausgeblendet worden, die keine Chance auf den Mittleren Schulabschluss hatten.
Beckmann weiter: „Das Projekt Bildungsrepublik muss beharrlich durchgeboxt werden. Im internationalen Vergleich reichen die Anstrengungen Deutschlands nicht aus. Das muss vor allem auch den Finanzministern ins Stammbuch geschrieben werden. Wer auf Bildung von Anfang an setzt, muss Kindergarten und Grundschule mehr als bisher stärken. Nur auf diesem Weg kann der Zusammenhang von sozialer Herkunft und Bildungsweg abgeschwächt werden.“ Der VBE dringe darauf, dass Bund, Länder und Kommunen gemeinsam Verantwortung für die Bildungsrepublik übernehmen. „Deshalb muss das Kooperationsverbot von Bund und Ländern im Bildungsbereich zurückgenommen werden“, unterstreicht der VBE-Bundesvorsitzende.
„Vor allem der Bund muss die finanziellen Voraussetzungen schaffen, damit die Kommunen ihrer Verantwortung für die Ausstattung der Bildungseinrichtungen nachkommen können“, bekräftigt Beckmann. „Bildungsinitiativen des Bundes wie das Lesepaket oder die Bildungspaten sind von außen aufgesetzt. Es ist ein krasser Widerspruch, Kinder und Jugendliche zum Lesen zu motivieren, während gleichzeitig die Kommunen Büchereien und Jugendklubs schließen. Der VBE fordert, die Gelder des Bundes für eine Ganztagsschuloffensive II zu bündeln.“
VBE-Bundesvorsitzender Udo Beckmann zieht nach vier PISA-Studien das Fazit: „Die PISA-Studien haben den ideologischen Grabenkämpfen langsam und sicher den Boden entzogen. Wer in der Politik heute ernst genommen werden will, muss sich daran messen lassen, wie Benachteiligung von Kindern und Jugendlichen aufgrund sozialer und ethnischer Herkunft abgebaut wird. PISA hat der demokratischen Idee von Bildungsgerechtigkeit eindeutig Auftrieb gegeben.“ Dieser Druck sei auch nötig, so Beckmann, damit die Bildungseinrichtungen vom Kindergarten an so ausgestattet werden, dass die individuelle Förderung aller Kinder überhaupt erst möglich werde. Beckmann unterstreicht: „Es muss mehr Geld in die Hand genommen werden als bisher. An den beschlossenen zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Bildung und Forschung bis 2015 darf nicht gerüttelt werden.“