Nicht zu früh zu Ritalin greifen
Doping in der Schule
Ritalin ist kein Allheilmittel für anstrengende Kinder, darauf macht Udo Beckmann, Bundesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), aufmerksam. Daher sollten weder Eltern, noch Lehrer und Ärzte zu schnell auf eine Verschreibung des Medikaments drängen.
Wenn Kinder sich nur schwer konzentrieren können oder ständig andere Kinder mit ihren Aktionen vom Lernen abhalten, ist die Diagnose häufig schnell getroffen: Das Kind hat ADS oder ADHS (Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom, teilweise gepaart mit Hyperaktivität). Eine Studie der Techniker Krankenkasse (TK) hat dabei festgestellt, dass die Zahl ihrer versicherten Kinder zwischen 6 und 18 Jahren, die diese Diagnose bekommen hat, von 2006 auf 2009 drastisch gestiegen ist: Gab es 2006 noch 17.800 versicherte Kinder, die Ritalin und Medikamente mit vergleichbarer Wirkung bekommen haben, waren es drei Jahre später schon über 25.000.
Die Diagnose wird in den vergangenen Jahren viel schneller gestellt als früher, so Beckmann. Dabei sei nicht automatisch ADHS die echte Diagnose – Psychiater hätten immer wieder festgestellt, dass die Symptome oft andere Ursachen haben – viele Diagnosen seien daher falsch.
Der Wirkstoff Methylphenidat, der z. B. in dem bekannten Medikament „Ritalin“ vorhanden ist, dürfe daher nicht zu schnell verschrieben werden.
Die Nebenwirkungen, u. a. Appetitlosigkeit, Schwindel und Übelkeit, seien schon bei Erwachsenen nicht zu verachten – bei Kindern wiegen sie noch schwerer, gibt Beckmann zu bedenken.
Der Wunsch der Eltern, Kinder und Lehrer, dass Kinder in der Schule mitkommen sollen, darf nicht über das Wohl des Kindes gestellt werden. Natürlich ist es wichtig, dass das Kind in der späteren Leistungsgesellschaft zurechtkommt, es müsse jedoch erst langsam an diese herangeführt werden. Eine „Gleichschaltung“ per Medikament ist das falsche Zeichen, sagt Beckmann.
Kinder müssten Kinder bleiben dürfen; sie müssten toben und laut sein dürfen, ohne dass es ihnen gleich als Krankheit ausgelegt wird. Erst bei schweren Fällen und Verhaltensauffälligkeiten dürfe zum Medikament gegriffen werden. Vorher, so fordert Beckmann, müsse man auffälligen Kindern mit kleineren Klassen und einer besseren Betreuung begegnen.