Berlin, Lehrkräftebildung/-mangel

Büchse der Pandora ist geöffnet

Heute wurde in Berlin das Gutachten der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission (SWK) der Kultusministerkonferenz (KMK) zu „Lehrkräftegewinnung und Lehrkräftebildung für einen hochwertigen Unterricht“ veröffentlicht.

Zu den vorgestellten Empfehlungen kommentiert der Bundesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), Gerhard Brand: „Die Maßnahmen zielen auf eine hohe, und insbesondere für die bisher nicht angemessen qualifizierten Personen steigende, Qualifikation ab. Das ist eine beeindruckend klare Position, die sich gegen den Trend der Deprofessionalisierung stellt. Die Reaktion der Kultusministerinnen und Kultusminister in der Pressekonferenz lässt aber zweifeln, ob die Empfehlungen tatsächlich umgesetzt werden. Mit Verweis auf die Realität an den Schulen wird argumentiert, dass die Empfehlungen nicht oder nur teilweise umsetzbar sind. So bekommt man den Eindruck, dass das Gutachten eine Kröte ist, die nicht alle schlucken möchten. Aber die KMK hat mit dem Gutachten die Büchse der Pandora geöffnet und wird sich nun daran messen lassen müssen, wie ernst sie die Stimme der Wissenschaft nimmt.“

Ein-Fach-Master im Seiteneinstieg

Generell müsse darauf geachtet werden, dass Menschen prioritär für das klassische Lehramtsstudium gewonnen werden sollten. Die Realität des immensen Lehrkräftemangels zwingt aber zur Einstellung von Menschen im Seiten- und Quereinstieg. Diese werden oft nicht angemessen vorqualifiziert und auch nicht ausreichend berufsbegleitend weiterqualifiziert. „So kann kein hochwertiger Unterricht abgesichert werden“, sagt der VBE Bundesvorsitzende Brand. Eine bessere Qualifizierung ist daher dringend angeraten. Jedoch: „Der Ein-Fach-Master ist noch nicht zu Ende gedacht. Er geht an der schulischen Realität vorbei, weil gerade an kleinen Schulen gar nicht ausreichend Stunden gebraucht werden, sodass sich dann mehrere Schulen eine Lehrkraft teilen müssten. Zudem sieht die Wissenschaft nicht, wie diese Person am Ende fachfremd unterrichtet. Das ist ein Einfallstor für Deprofessionalisierung.“

Verkürzung des Referendariats durch studienbegleitendes Unterrichten

Die SWK schlägt auch vor, dass Studierende, die bereits im Studium in der Schule unterrichten, dies angerechnet bekommen können auf die Referendariatszeit, sodass diese auf 12 Monate gekürzt werden würde. Der VBE Bundesvorsitzende sieht dies kritisch: „In der zweiten Phase der Ausbildung würden dann Studierende ohne und mit Praxiserfahrung angemessen begleitet werden müssen. Das ist organisatorisch schlicht nicht leistbar. Außerdem verkennt die Anrechnung einen wichtigen Aspekt der Ausbildung: Das Referendariat ist Schutzraum und muss Möglichkeit zum Austesten und Fehlermachen bieten. Diese Zeit einfach zu verkürzen, ist nicht Gewinn, sondern Verlust!“

Prognosen und Evaluierung

Die SWK empfiehlt, die Datenlage zu verbessern. Dies begrüßt der VBE ausdrücklich. Der VBE hatte 2022 bei Prof. Dr. Klemm eine Expertise in Auftrag gegeben, die aufzeigte, wie deutlich die Prognosen der KMK von der Realität abweichen und dass der Mangel nicht nur stärker ist als angenommen, sondern umso stärker wird, wenn die politischen Anforderungen eingerechnet werden. Der VBE-Chef dazu: „Es ist essenziell, dass die Prognosen endlich einheitlich erstellt, die Kriterien transparent gemacht und die aktuellen Herausforderungen, wie Inklusion und Ganztag, angemessen einberechnet werden. Vom Messen allein wird die Sau nicht fett, aber wenn die Waage kaputt ist, funktioniert das ganze System nicht. Da muss sich die KMK endlich ehrlich machen!“

Außerdem ist eine Empfehlung, Daten über die Verläufe des Lehramtsstudiums zu gewinnen, um das Studium zu verbessern. „Das unterstützt der VBE sehr, denn wir müssen endlich wissen, wie wir Lehramtsstudierende so unterstützen, dass sie den geraden Weg von der Universität in das Klassenzimmer nehmen und nicht abbiegen“, sagt der VBE Bundesvorsitzende.

Lehrkräftegewinnung durch Gelingensbedingungen

Der VBE Bundesvorsitzende Brand verweist noch auf einen weiteren Punkt: „Die SWK hat heute in den Fokus gestellt, wie die Menschen, die vor der Klasse stehen, qualifiziert sein müssen. Die KMK muss nun in den Blick nehmen, wie diese Personen im System gehalten werden. Dafür braucht es bessere Rahmenbedingungen. Die beste Werbung für den Beruf wäre eine gut ausgestattete Schule mit angemessen großen Lerngruppen und funktionierender Infrastruktur von der Schultoilette bis zum Smart Board sowie der Unterstützung durch multiprofessionelle Teams. Nur so kann hochwertiger Unterricht gewährleistet werden.“