Berlin, Bildungsgerechtigkeit Lehrkräftebildung/-mangel

Benachteiligung ist vielschichtig!

VBE zum Equal Care Day

Kommt das Thema auf geschlechterspezifische Ungleichheiten, steht im Regelfall die ungleiche Bezahlung von Frauen und Männern trotz gleicher Tätigkeit im Fokus. Das dies nur eine von mehreren Erscheinungsformen weiblicher Benachteiligung ist, daran erinnert der heutige „Equal Care Day“. Nicht umsonst fällt er auf den 29. Februar, soll er doch verdeutlichen, dass Sorgearbeit ansonsten weitgehend unsichtbar bleibt.

Frauen sind immer noch diejenigen, die den Großteil der unbezahlten Sorgearbeit im häuslichen Umfeld übernehmen. Im Vergleich zu Männern widmen sie sich täglich im Durchschnitt 52,4 Prozent mehr Zeit für unbezahlte Aufgaben wie Hausarbeit und Kinderbetreuung. Frauen leisten sogar mehr als doppelt so viel Pflegearbeit als Männer, wenn die direkte Pflegearbeit nur die Betreuung und Unterstützung von erwachsenen Familienmitgliedern umfasst. Der Gender-Care-Unterschied beträgt hier 108,3 Prozent. Im zweiten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung wird dieser unterschiedliche Zeitaufwand als Gender-Care-Gap bezeichnet und als Indikator für Gleichstellung betrachtet. Dies wirkt sich in Branchen mit hohem Frauenanteil besonders stark aus.

Gerhard Brand, Bundesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), stellt fest: „Im Vergleich mit den männlichen Kollegen arbeiten Lehrerinnen mehr als doppelt so oft in Teilzeit, bei den Erzieherinnen und Erziehern ist dieser Trend sogar noch stärker zu beobachten. Für die Kolleginnen vor Ort bedeutet dies nicht nur, dass sie Monat für Monat weniger Geld zur Verfügung haben, es wirkt sich auch langfristig auf die Aufstiegschancen aus und wird im Alter unter Umständen zu einem existentiellen Problem.“

Dies kann auch Tanja Küsgens, Bundessprecherin der Frauen im VBE, bestätigen: „Wir wissen, dass Altersarmut ein eher weibliches Phänomen ist. Mit 46 Prozent ist die Rentenlücke zwischen Männern und Frauen in keinem anderen OECD-Industrieland größer als in Deutschland. Wenig verwunderlich, wenn man einen bedeutenden Teil der beruflichen Laufbahn in Teilzeit oder Kindererziehungszeiten verbringen und die damit verbundenen Gehaltsausfälle akzeptieren muss.“

Welche Auswirkungen die hohe Teilzeitquote auf den Schulalltag hat und wie der Weg aus der Misere aussehen könnte, weiß Küsgens, die stellvertretende Schulleiterin einer Grundschule und Personalratsvorsitzende ist, aus erster Hand: „Die vielen und hochqualifizierten Kolleginnen, die aufgrund der ungleichen Verteilung von Care-Arbeit in Teilzeit gehen müssen, vermissen wir in den Schulen vor Ort schmerzlich. Viele von ihnen würden ihre Stelle unverzüglich aufstocken, wenn sie wüssten, dass für ihre Kinder oder pflegebedürftigen Angehörigen eine angemessene Betreuung gewährleistet ist. Dies kann allerdings nur funktionieren, wenn dafür ausreichend Kita- und Pflegeplätze vorhanden sind. Hier muss die Politik dringend ins Handeln kommen und ihren Beitrag zur Verbesserung des Lehrkräftemangels leisten. Berufe im Pflege- und Bildungsbereich, die generell über einen hohen Frauenanteil verfügen, müssen aufgewertet werden. Rahmenbedingungen und Bezahlung müssen dringend verbessert werden. Ebenso muss ein gesellschaftliches Umdenken bei der unbezahlten Sorgearbeit stattfinden. Eine gerechtere Aufteilung zwischen den Geschlechtern ist das Ziel, würde Frauen dauerhaft entlasten und die berufliche Teilhabe besser ermöglichen.“


  • Weitere Informationen zum Thema Gender-Care-Gap finden Sie unter www.sorgearbeit-fair-teilen.de.
  • Den zweiten Gleichstellungsbericht, der sich besonders dem Thema „Erwerbs- und Sorgearbeit gemeinsam neugestalten“ widmet, finden Sie hier.
  • Weitere Informationen zum Thema Altersarmut finden Sie auf der Homepage des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ).