Berlin/Düsseldorf, Frühkindliche Bildung

Sprache schafft Bildungschancen

Zäsur gefordert: Von der Defizitorientierung zur Verantwortungsübernahme

  • Veröffentlichung einer Umfrage anlässlich des Deutschen Kitaleitungskongresses in Düsseldorf am 19. und 20 März 2024.
  • Bundesweiter Meinungstrend unter 3.055 Kitaleitungen zeigt: zu wenig Leitungszeit, häufiges Arbeiten in aufsichtspflichtrelevanter Personalunterdeckung und große Probleme bei der Fachkräftegewinnung.
  • Offensichtlich werden zudem eklatante Missstände bei der frühkindlichen Förderung sprachlicher Kompetenzen. VBE fordert, dass nach der Diagnostik ausreichend Maßnahmen und Möglichkeiten bereitstehen müssen, jedem Kind eine gezielte Förderung anbieten zu können.

„Der Personalmangel an Kindertagesstätten bestimmt den Alltag. Das hat Konsequenzen! Wo kaum die Betreuung gewährleistet werden kann, bleibt die individuelle Förderung sprachlicher Kompetenz eine Wunschvorstellung. Das können wir uns aber nicht leisten. In den Jahren der Elementarbildung wird das Fundament für den weiteren Bildungserfolg gelegt. Doch es bleibt unklar, wie das gelingen soll, wenn nicht einmal annähernd genug Personal zur Verfügung steht. Wir fordern deshalb, dass sich die Politik stärker dafür verantwortlich fühlt, den Elementarbereich so auszustatten, dass die Bildungsbasis erfolgreich gelegt werden kann. Dazu gehört neben Personalgewinnungskampagnen, der angemessenen Bezahlung der Fachkräfte und einem attraktiven Arbeitsumfeld vor allem der Einsatz multiprofessioneller Teams“, erklärt Tomi Neckov, stellvertretender Bundesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), mit Blick auf die Ergebnisse des aktuellen DKLK-Meinungstrends, der anlässlich des Deutschen Kitaleitungskongresses am 19. März 2024 veröffentlicht wird. Von Oktober 2023 bis Januar 2024 hatten 3.055 Kitaleitungen an einer Umfrage von FLEET Education, dem VBE und dessen Landesverbänden Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen teilgenommen.

Im Meinungstrend geben über die Hälfte der teilnehmenden Kitaleitungen an, in mehr als 20 Prozent der Zeit in Personalunterdeckung zu arbeiten. Das antworteten im letzten Jahr noch knapp 10 Prozent mehr. Sorge macht weiterhin, dass mehr als jede 7. Kitaleitung angibt, in über 60 Prozent der Zeit in aufsichtspflichtrelevanter Personalunterdeckung zu arbeiten. Und es ist keine Besserung in Sicht. 84 Prozent der Kitaleitungen geben an, dass sich der Personalmangel im letzten Jahr verschärft hat. Deshalb wird bei drei Viertel der Kitas Personal eingestellt, das noch vor wenigen Jahren wegen unzureichender Qualifikation nicht eingestellt worden wäre.

Die Umfrage stand in diesem Jahr unter dem Schwerpunkt „Sprachliche Bildung“. Obwohl drei von vier Befragten tendenziell zufrieden mit der sprachlichen Bildung an ihrer Kita sind, berichtet ein Drittel der Kitaleitungen, über keine speziell für den Bereich qualifizierte Fachkraft zu verfügen. Spannend ist, dass es eine hohe Nichtpassung von 63,5 Prozent gibt, wobei Kinder eine Sprache sprechen, die nicht vom Personal gesprochen wird (oder umgekehrt). Tomi Neckov erläutert: „Wenn die Fachkräfte vor Ort nicht die Muttersprache der Kinder sprechen, kann es eine Hürde in der Kommunikation und auch bei der Vermittlung der deutschen Sprache darstellen. Bei Personalgewinnungskampagnen sollte daher darauf geachtet werden, Menschen, die fehlende sprachliche Passungen ausgleichen können, bevorzugt anzuwerben. Dies gilt auch für das multiprofessionelle Team.“

Rund die Hälfte der Kitaleitungen gibt an, ausschließlich alltagsintegrierte Sprachbildung zu praktizieren. Je ein Drittel sagt, dass es Angebote individueller Sprachförderung gibt oder zusätzlich zur alltagsintegrierten Sprachbildung auch Sprachförderung in kleinen Gruppen angeboten wird. Ein weiteres Viertel gibt an, ungeplante Aktivitäten in festen Kleingruppen durchzuführen. „Die Angebote müssen zum Kitakonzept passen und die Kinder dort abholen, wo sie stehen. Insbesondere die Kleingruppenförderung kann bei Kindern mit enormen sprachlichen Defiziten gute Erfolge erzielen. Dafür braucht es jedoch qualifiziertes Personal und Zeit. Und das haben viele Kitas nicht! Wenn die Politik also Sprachstandstests fordert und sich um die Bildungsqualität an Grundschulen sorgt, muss es ausgemachtes Ziel sein, nach der Diagnose auch die Behandlung zu ermöglichen“, fordert der Verantwortliche vom VBE, Tomi Neckov. „Dafür ist ein Umdenken notwendig. Nicht das Kind hat ein Problem und kann nicht eingeschult werden, sondern die Herausforderung liegt aufseiten der Politik, wenn sie es nicht hinbekommt, dass alle Kinder einschulungsfähig werden! Ziel muss die individuelle Förderung der Kinder sein. In Zeiten anhaltenden Personalmangels muss das durch die Zusammenarbeit in multiprofessionellen Teams gewährleistet werden.“

Udo Beckmann, Leiter Kommunikation bei FLEET EDUCATION, die Mitausrichter des DKLK sind, ergänzt: „Schulischer Erfolg hängt zwingend mit den Sprach- und Lesekompetenzen von Kindern und Jugendlichen zusammen. Lesen- und Schreibenlernen ist aber nur möglich, wenn man die Sprache ausreichend beherrscht. Wer gute Leistungen von unseren Schulabgängern erwartet, sollte bereits in der Sprachbildung der Kitas beginnen. Wer erst bei Schülerinnen und Schülern ansetzt, hat schon verloren. Ein Baum muss auch erst Wurzeln schlagen, bevor er blüht. Mit dem DKLK können wir natürlich die gravierenden Defizite des Bildungsbereichs nicht beheben, aber wir können mithilfe unseres Fortbildungsangebots einen Beitrag dazu leisten, die Kitaleitungen im Umgang mit den täglichen Herausforderungen zu stärken, getreu unserem Motto ‚Starke Leitungen – starke Teams – starke Kinder‘.“

Die Teilnehmenden der Pressekonferenz:

  • Dr. Andy Schieler, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hochschule Koblenz,
  • Barbara Nolte, Referentin für Erzieherinnen und Erzieher im VBE NRW, Kitaleitung
  • Tomi Neckov, stellvertretender Bundesvorsitzender des VBE und Kongressverantwortlicher
  • Anne Deimel, Landesvorsitzende des VBE NRW
  • Udo Beckmann, Leitung Kommunikation FLEET EDUCATION