VBE: Ein guter Anfang, aber viele offene Fragen
Zum Abschluss der Koalitionsverhandlungen
„Der Koalitionsvertrag enthält vielversprechende Ansätze. Wir begrüßen insbesondere die Investitionsoffensive, welche durch eine Veränderung des Grundgesetzes direkte Förderung von Kommunen bei Investitionen in die Bildungsinfrastruktur möglich macht. Das ist dringend notwendig, denn das Kooperationsverbot von Bund und Ländern zementiert seit mehr als 10 Jahren Bildungsungerechtigkeit. Wir sind trotzdem nur vorsichtig optimistisch. Der Investitionsstau in Schulen beträgt laut KfW-Berechnungen 32 Milliarden Euro. Die Bertelsmann-Stiftung spricht von Kosten für die Digitalisierung in Höhe von 2,8 Milliarden Euro – jährlich! Die möglicherweise zukünftige Bundesregierung würde innerhalb der nächsten 3,5 Jahre 3,5 Milliarden Euro für den Digitalpakt#D ausgeben. Die Frage bleibt: Wenn eine Milliarde pro Jahr vom Bund kommt, wer stemmt dann wie den Rest? Bund und Länder müssen daher zeitnah mit Staatsverträgen Kompetenzen klar regeln und Rechte und Pflichten festlegen“, kommentiert Udo Beckmann, Bundesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) zum Abschluss der Koalitionsverhandlungen zwischen den Unionsparteien und der SPD.
Zur Einsetzung eines Nationalen Bildungsrat äußert sich Beckmann positiv: „Ein Bildungsrat könnte dringend notwendige übergeordnete Strategien erarbeiten, wie gleichwertige Lebensverhältnisse in Bezug auf Bildungschancen der Kinder hergestellt werden können. Wissenschaft und Schulpraxis sollten in einem solchen Gremium gemeinsam mit Entscheiderinnen und Entscheidern aus Bund, Ländern und Kommunen zusammenkommen. Wichtig ist, dass das Erarbeitete durch Staatsverträge verbindlich gemacht wird.“
Die Parteien einigten sich zudem auf die Umsetzung eines Anspruchs auf Ganztagsbetreuung bis 2025. Der VBE-Chef warnt: „Der Mangel an pädagogischem Personal wird sich nach aktuellen Berechnungen bis 2025 noch weiter verschärfen. Zur Umsetzung dieses Ziels muss es also höchste Priorität haben, Berufe im Bildungs- und Erziehungsbereich attraktiv zu machen und so viele für eine Ausbildung oder ein Studium zu gewinnen. Eine angemessene Bezahlung muss dafür Hand-in-Hand mit einer adäquaten Ressourcenausstattung der jeweiligen Einrichtung gehen.“
Kaum behandelt wird die große Herausforderung der Bildungseinrichtung, die steigende Heterogenität, auch durch Integration und Inklusion. Beckmann kommentiert: „Inklusion wird vorausgesetzt. Es wird von ‚inklusiver Bildung‘ gesprochen, ohne die tatsächliche Schulrealität zu beachten. Wir sind mitten in einem Prozess und die Bildungseinrichtungen brauchen notwendige Gelingensbedingungen, damit die Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention umgesetzt werden können. Ja, Bildung ist Ländersache – aber der Bund darf sich nicht raushalten! Wer Inklusion möchte, darf die Länder bei der Umsetzung nicht im Regen stehen lassen. Es braucht auch auf diesem Feld eine gemeinsame Kraftanstrengung von Bund, Ländern und Kommunen.“ Positiv bewertet er, dass „gemeinsam mit den Ländern die besonderen Herausforderungen von Schulen in benachteiligten sozialen Lagen und mit besonderen Aufgaben der Integration“ aufgegriffen werden sollen.
Der VBE-Bundesvorsitzende begrüßt, dass laut Koalitionsvertrag „Gewalt gegen […] Repräsentantinnen und Repräsentanten des Staates […] auf allen Ebenen konsequent entgegengewirkt werden“ soll. Er unterstreicht: „Die vom VBE in Auftrag gegebene forsa-Umfrage zu ‚Gewalt gegen Lehrkräfte‘ zeigte: An der Hälfte der Schulen gab es in den letzten fünf Jahren Fälle psychischer Gewalt, 45.000 Lehrkräfte wurden schon körperlich angegriffen. Die konsequente Ahndung solcher Vorfälle muss selbstverständlich sein.“ Der VBE hatte sich Anfang 2017 aktiv für die Bundesratsgesetzesinitiative der ehemaligen NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft zur Strafverschärfung eingesetzt. Hierfür wurden Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten angeschrieben, sowie auch Justizministerinnen und Justizminister.
Die Parteien einigten sich zudem darauf, Schwerpunkte „in der Prävention chronischer Erkrankungen [zu legen], insbesondere in der Entwicklung einer nationalen Strategie zur Reduzierung von Übergewicht vor allem bei Kindern und Jugendlichen“. Auch die Drogenprävention soll weiter verfolgt werden. Beckmann erinnert an die gemeinsame Forderung des VBE mit dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) nach dem bedarfsgerechten, flächendeckenden Einsatz von Schulgesundheitsfachkräften. Neben der Medikamentengabe für chronisch kranke Kinder und der medizinischen Assistenz im Rahmen der Inklusion könnten Schulgesundheitsfachkräfte demnach präventive Angebote machen und damit zu einer gesünderen Lebensweise der Schülerinnen und Schüler beitragen. „So würde eine spürbare Entlastung der Lehrkräfte geschaffen werden, die für alle Seiten Vorteile mit sich bringt“, so der VBE-Chef.